069 - Ein gerissener Kerl
auslaufen ließ.«
»Warum nennen Sie ihn ›System-Onkel‹?« erkundigte sich Braid.
Mr. Elk seufzte schwer.
»Wenn ich irgend etwas auf der Welt hasse, Mr. Braid, dann sind es lange Erklärungen«, sagte er, »aber so nennt ihn der alte Wayne. Er setzt auf Pferde nach einem gewissen System. Dieser Guelder hat offenbar den Wissenschaftstick. Er war Professor oder so etwas, geriet aber in Schwierigkeiten und verließ Amsterdam vor einigen Jahren mit ziemlicher Plötzlichkeit — vielleicht war's auch Rotterdam. Jedenfalls war ein ›dam‹ dabei, das weiß ich genau. Wir erhielten keine Anfragen von der niederländischen Polizei. Mit dem Mädel war wohl nicht viel los. Sie war seine Freundin und starb etwas plötzlich. Einige behaupteten, es wäre Selbstmord — aber nicht viele. Jedenfalls, Guelder ist klug. Man sagt, er beschäftigt sich damit, das - wie heißt's doch gleich? - Dingsda des Lebens zu suchen.«
»Das Elixier des Lebens?« fragte Tony.
»Das ist das Wort! Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber es klingt fein. Und dann hat er die verrückte Idee, daß er was entdecken kann, das Blei in Gold verwandelt. Es gibt 'ne Menge in der Irrenanstalt, die dieselbe Entdeckung gemacht haben.«
Das war nun allerdings eine interessante Auskunft für Tony Braid. Er kannte Guelder vom Sehen, hatte ihn ein- bis zweimal gesprochen, doch nie hatte der feiste Niederländer die leiseste Andeutung über Pferde gemacht. Tony äußerte dies, worauf Mr. Elk nur mitleidig grinste.
»Kein Mensch läuft herum und prahlt mit seinen Lastern«, belehrte er Braid, »außer Golfspielern. Dieser Bursche Guelder ist geradezu bares Geld für die Wetthähne. Er hat schon Tausende verloren.«
Braid war beunruhigt. Er hatte für Julian Reef wahrhaftig nicht viel übrig, war aber überzeugt, daß er von dieser sonderbaren Schwäche seines Freundes nichts wußte. Nach seiner Kenntnis der Sachlage konnten sich weder Guelder noch Reef den Verlust von Tausenden in der Woche leisten. Er kannte Julians Lage und wußte, daß er trotz seines scheinbaren Reichtums dem Ruin entgegenging. Eine Krise in Julians Geschäften aber konnte sehr leicht Frensham bedrohen - und Ursula.
Aus diesem Grund beunruhigte ihn diese Nachricht. Er bezweifelte Elks Bericht nicht eine Sekunde lang. Der dürre Detektiv gab Auskunft über die unmöglichsten Dinge. Das Pech, das er einst bei seinem Staatsexamen gehabt hatte, zwang ihn, sich jahrelang mit einer Stellung zu begnügen, die ihm eine weit bessere Gelegenheit bot, Menschen und Dinge kennenzulernen, als wenn er sein Examen summa cum laude bestanden hätte und in Amt und Würden befördert worden wäre. Er sammelte Material über Männer und Frauen mit demselben fanatischen Eifer und Fleiß, mit dem andere Marken sammeln. Sein Gedächtnis war ein Wunder. Er konnte sich zwar nicht, wie er selbst sagte, genau an das Datum erinnern, an dem die Königin Elisabeth die Parade über ihre Armee bei Tilbury abnahm; aber er wußte genau, wo Jonny, der Fassadenkletterer, die lange Narbe am Hinterkopf her hatte und warum ein bestimmtes Mitglied der Regierung so verblüffend plötzlich gestorben war. Viele wohlverwahrt geglaubte Geheimnisse waren Elk so vertraut, daß er sie schon fast vergessen hatte. Fast - aber niemals ganz. Denn er konnte im gegebenen Augenblick aus den Fächern seines Gedächtnisses die bloßstellendsten und fatalsten Einzelheiten mancher längst vergangener, romantischer Geschichten und halbvergessener Betrügereien hervorkramen.
»Kennen Sie Lord Frensham?« fragte Braid.
Elk nickte.
»Guter Freund von Ihnen, wie? Braver Bursche, aber pleite. Ich war neulich in St. James' Street, mußte da Erkundigungen wegen einer Unterschlagung einziehen. Ich warf dabei einen Blick in sein Büro. Wissen Sie, daß er ein Büro in St. James' Street hat?« »Das ist eins von den wenigen Dingen, die ich weiß«, scherzte Tony. »Lord Frensham ist Direktor mehrerer Gesellschaften, die ihren Sitz in seinem Büro haben.«
»Na ja, das wissen Sie«, gab Elk zu, »aber ich wette, die Geschichte seiner Etagenwohnung kennen Sie nicht — jedenfalls war das mal eine Wohnung ...«
Er blickte auf, denn die Tür wurde geöffnet, und der Diener erschien. Braid hatte das Telefon läuten hören und war beim Eintritt des Dieners schon auf dem Sprung. Er wußte sofort, daß es ein wichtiger Anruf war, denn er hatte strenge Weisung gegeben, ihn nur in diesem Fall zu stören.
»Lady Frensham.«
Braid eilte in sein
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