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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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er das Fenster.
    Neben dem Schreibtisch stand ein Papierkorb, dessen Boden mit zerrissenem Papier bedeckt war. Er schüttete den Inhalt auf den kleinen Tisch, auf dem der Fernsprecher stand, und prüfte ihn sorgfältig.
    »Ihren Brief und Scheck scheint er erhalten zu haben«, sagte Elk nach einer Weile und zeigte auf einen kleinen Haufen Papier, den er ausgesondert hatte.
    »Hier ist der Scheck, zerrissen — wenigstens halte ich ihn dafür.«
    Ehe Braid die einzelnen Fetzen des rosa Streifens zusammensetzen konnte, wußte er, daß es der Scheck war, den er geschickt hatte.
    »Das wollen wir aufheben.« Elk nahm vom Tisch ein Kuvert und legte die Papierschnitzel vorsichtig hinein. »Den Brief und das Kuvert auch. Es sieht aus, als wäre er ungeöffnet zerrissen worden.«
    Eine Viertelstunde später erschien der Polizeiarzt und unterzog die Leiche einer kurzen Untersuchung. Der Tod war sofort eingetreten.
    »Jetzt haben Sie eine schwere Aufgabe vor sich«, sagte Elk.
    Tony nickte und schritt langsam die Treppen hinab, Ursula die Trauerbotschaft zu überbringen.
    Sie stand noch wartend vor der offenen Tür des Hauses. Ein Blick auf ihr Gesicht verriet ihm, daß sie schon alles wußte und daß der tragischste Teil seiner Aufgabe bereits erfüllt war.
    »Kommen Sie herein, Tony.«
    Sie war sehr blaß, doch ihre Stimme klang merklich fest.
    »Mr. Elk hat mich schon angerufen — er hat mir zwar nicht alles gesagt, aber ich ahne es. Ist Vater tot?«
    Tony nickte.
    »Entsetzlich!« Sie schlug die Hände vors Gesicht, und ein Schauer überrieselte ihre Gestalt. »Weiß es Julian?« ächzte sie mit erstickter Stimme.
    »Ist er nicht hier?« fragte Braid erstaunt.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, er ging gerade, bevor Mr. Elk anrief. Ich erzählte ihm, wie gut Sie gegen Vater gewesen sind . Ich meine — das Geld, das Sie ihm heute abend schickten.«
    Braid starrte sie an.
    »Woher wissen Sie, daß ich ihm Geld geschickt habe?«
    Sie antwortete erst, als sie in dem holzgetäfelten Speisezimmer die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Vater erzählte mir, daß er in Not sei und sich an Sie gewandt habe. Er sagte es mir telefonisch.«
    »Aber Sie wußten doch nicht .«
    »Ich kenne Sie, Tony«, sagte sie voller Vertrauen. »Wenn er Sie um Geld bat, dann haben Sie es ihm geschickt. Er war dessen nicht so sicher, mein armes Väterchen. Er bat mich, ihn um halb neun Uhr hier zu treffen.«
    Sie war sehr ruhig, sehr tapfer.
    Er hatte sie jetzt nicht mit einem Gespräch über Geldangelegenheiten belästigen wollen und wunderte sich ein wenig, daß sie dieses Thema berührte.
    »Glauben Sie, daß mein Geld verloren ist?« fragte sie unbeteiligt. »Ich habe mit Vater nie darüber gesprochen. Er war darin ziemlich schwierig und kribblig. Meine Dividenden kamen regelmäßig alle Halbjahre ein. Ich hatte eine recht bedeutende Summe auf der Bank.«
    »Wie lange hat er Ihr Vermögen verwaltet?« fragte Braid.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht. Es war mir ganz neu und etwas überraschend, daß Julian meine Aktien überhaupt an Vater ausgehändigt hat.« Sie machte eine kleine Pause, ehe sie fortfuhr. »Wahrscheinlich halten Sie mich für herzlos, daß ich jetzt darüber spreche. Begreifen Sie, Tony, welche Verantwortung Sie tragen?«
    Er blickte sie verwundert an. »Ich?« fragte er.
    »Sie sind Vaters Testamentsvollstrecker. Er hat seinen letzten Willen, den er vor Jahren aufgesetzt hat, nicht geändert. Er sprach noch heute morgen darüber, als er so erzürnt auf Sie war, und erklärte, er würde es ändern. Ich glaube, er wollte Julian an Ihre Stelle setzen. Sie hassen Julian, nicht wahr?«
    »Ich liebe ihn nicht sehr, aber ich will in diesem traurigen Augenblick die Dinge nicht schwerer machen, als sie schon sind, und meine Gefühle vollkommen zurückstellen«, antwortete er.
    »Ich hatte ihn eigentlich immer ganz gern«, gestand sie. »Er kann sich meisterhaft beherrschen. Das imponiert mir.
    Aber sein Partner oder was er sonst ist, flößt mir Grauen ein.«
    »Guelder?« fragte Tony schnell.
    Sie nickte.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie ihn kennen«, sagte er erstaunt.
    Sie schwieg. Er drang nicht weiter in sie. Doch es war für ihn eine neue und seltsame Entdeckung. Er fühlte, daß hinter der zufälligen Erwähnung dieses Vertrauten Julian Reefs ein Geheimnis stand, eine Andeutung von Furcht, die freilich nur seine Feinfühligkeit empfand.
    Es war halb drei Uhr, und der Morgen graute, als Elk Braids Haus

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