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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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um Atem zu schöpfen. Ursula hatte das zusammenhanglose Gerede voller Schlauheit und heuchlerischem Mitgefühl ruhig angehört und begriff sofort den Zweck dieses Besuches.
    »Mit anderen Worten wollen Sie sagen, daß von den zweimalhunderttausend Aktien, die mein Vater mir hinterlassen hat, fünfzigtausend Ihnen gehören?«
    »Zu meinem lebhaften Bedauern meine ich das. Es ist beklagenswert und .«
    Sie unterbrach ihn. »Und ausschließlich eine Angelegenheit des Testamentsvollstreckers, scheint mir.«
    Er nickte heftig mit dem dicken Kopf.
    »Ja, Mr. Braid. Unleugbar. Aber wenn ich zu Mr. Braid gehe, was geschieht dann? Er höhnt, er schnippt mit den Fingern, er sagt: ›Tun Sie, was Sie nicht lassen können.‹ Dann treten die Anwälte in Aktion, es gibt Prozesse und langwierige Verhandlungen, in denen allerhand unangenehme Dinge zur Sprache kommen. Zum Beispiel!« Er hob nachdenklich seinen plumpen Zeigefinger und dozierte: »Zum Beispiel: an seinem Todestag kam Ihr Vater zu dem guten Julian und forderte von ihm die Aktien, die Julian für Sie verwaltete. Weshalb? Wozu? Weil er sie für sich verwerten wollte. Bitte, unterbrechen Sie mich nicht! Ihre Empörung ehrt Sie, meine reizende Dame, aber von mir hören Sie die Wahrheit, die unleugbare Wahrheit —«
    »Nach Julians eigener Behauptung waren diese Aktien schon seit Wochen in meines Vaters Besitz«, antwortete sie kaltblütig.
    Sekundenlang stand Mr. Guelder fassungslos da.
    »Sie möchten Ihren Vater gern decken, aber die Wahrheit muß heraus. Ich sehe schon die Abendblätter mit den bösen Überschriften ›Seltsame Beschuldigung gegen einen verstorbenen Edelmann‹ Sehr peinlich, sehr peinlich! Auch hat bei der Totenschau Mr. Braid vor Gott beschworen, daß der verstorbene Frensham nicht in Geldverlegenheit gewesen ist. War das die Wahrheit? Sie sehen, wie viele delikate Dinge dann zur Sprache kommen könnten, zur Freude sensationshungriger Mitmenschen.«
    »Mr. Guelder«, unterbrach sie ihn wieder, »mir scheint, Sie verkennen meine Situation gründlichst, wenn Sie sich auch nur einen Augenblick einbilden, ich würde meinen Einfluß auf Mr. Braid benutzen, Ihnen die fünfzigtausend Aktien zu verschaffen. Ich habe mit der ganzen Angelegenheit nicht das geringste zu schaffen.«
    »Sehr richtig, junge Dame, vollkommen richtig«, murmelte eine Stimme.
    Sie erschrak so heftig bei diesem Laut, daß sie plötzlich aufsprang. Beide hatten Elks leise Schritte beim Überschreiten der Rasenfläche überhört, hatten auch einen schmalen Schatten an der offenen Fenstertür übersehen.
    »Niemals etwas ausliefern, gnädiges Fräulein, besonders nicht, wenn man Sie bedroht! Das war ja reine Erpressung.«
    Guelder starrte auf Elk, nicht sehr geistreich und auch nicht heldenhaft.
    »Mr. Elks«, flüsterte er, »das ist ein unerwartetes Vergnügen.«
    »Elk«, verbesserte der Detektiv, »Singular, wenn ich bitten darf. Es gibt nur einen Elk, und der bin ich.«
    Guelders Denkapparat arbeitete heftig. Er gedachte der Mitteilung Julian Reefs. Er wurde tatsächlich beobachtet. Dabei war er heute sehr vorsichtig gewesen! Hatte sich immer umgeblickt, hatte seine Schritte verlangsamt, hatte sich plötzlich umgewandt und den Verfolger gesucht, war unerwartet um Ecken gebogen und hatte nicht die Spur von Elk gesehen. Jetzt würgte ihn die Angst. Die Gesetze Englands waren gemein gegen Leute, die sich in geschäftlichen Dingen harmlose Übergriffe gestatten.
    »Falls ich etwas gesagt haben sollte, was ich hätte nicht sagen sollen, so bitte ich um Entschuldigung.« Er machte eine tiefe, demütige Verbeugung.
    »Jedes Wort, das Sie gesprochen haben, war eine Rechtswidrigkeit«, bemerkte Elk und fixierte den Holländer aus halbgeschlossenen Lidern. »Man verlangt ja von Ihnen nicht, daß Sie stets ein Exemplar des Strafgesetzbuches mit sich herumschleppen. Wir befinden uns hier in einem Land, in dem Erpressung nicht zu den Gesellschaftsspielen gehört. Doch ich störe, gnädiges Fräulein.«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Er konnte in ihren Zügen ein Gefühl der Befreiung lesen.
    »Da muß ich der Sache ihren Lauf lassen.«
    Guelder machte einen heroischen Versuch, gleichgültig und geschäftsmäßig zu erscheinen, aber die Heldenpose mißlang durchaus. »Ich werde also auf Rückgabe der Aktien klagen. Ich bedauere meinen Irrtum.«
    Er streckte eine große, feuchte Hand aus, die zuerst von Ursula, dann von Elk übersehen wurde.
    Der Detektiv wartete, bis der Holländer

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