Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
wenig ausging und nur selten jemand empfing, hatte sie die Gabe, dauernde Freundschaften, eins der schönsten Geschenke wahrer Menschlichkeit, zu begründen und zu unterhalten.
    Am Tag, bevor die Diamantenaktien sich so sonderbar benahmen, erhielt sie einen Brief, dessen Handschrift ihr völlig unbekannt war. Ein Botenjunge überbrachte ihn. Aus der Schrift schloß sie auf einen Ausländer und wunderte sich, wer sie mit »Die Lady Ursula Frensham« anreden könnte. Der Brief enthielt zur zwei Zeilen. Als sie die Unterschrift suchte, entdeckte sie zu ihrem Erstaunen ein schwunghaftes Gekritzel, das sie als Rex Guelder entzifferte.
›Lady! Darf ich die Ehre haben, Sie heute zu besuchen? Bitte, empfangen Sie mich in einer höchst wichtigen Angelegenheit‹
    Da auf dem Briefkopf weder Adresse noch Telefonnummer stand, blieb ihr keine Möglichkeit, den Besuch abzuweisen.
    Trotzdem hätte Ursula sich vor Rex Guelder verleugnen lassen, wenn die gewisse weibliche Neugierde nicht so groß gewesen wäre. Sie zögerte daher kaum, als sie die große Visitenkarte las.
    »Lassen Sie ihn eintreten, Jane, aber kommen Sie in zehn Minuten unter irgendeinem Vorwand herein und rufen Sie mich ab.«
    Guelder trug einen schwarzen Rock, eine flammendrote Krawatte und in der Hand einen steifen Hut. Sein Gesicht glänzte nicht weniger als seine goldene Brille; denn er war bis zur Fitzjohn's Avenue zu Fuß gegangen. Er hatte seine Gründe.
    »Sie sind überrascht, mich zu sehen«, begann er mit einem unsympathischen Lächeln, »das begreife ich. Ich bin sozusagen von der Konkurrenzfirma. Sie werden mich fragen, warum ich nicht gleich zu dem ausgezeichneten Mr. Braid gegangen bin. Doch wir wollen die Angelegenheit durchaus freundschaftlich regeln. Es liegt uns nichts ferner, als Sie vor ein Gericht zu zitieren.«
    Schon bei diesem Gedanken heuchelte er tiefstes Mitgefühl.
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht recht, was Sie meinen«, entgegnete Ursula. »Wenn die Angelegenheit Mr. Braid angeht, ist es freilich zwecklos, daß Sie mit mir verhandeln. Und wenn es eine geschäftliche Angelegenheit ist, ist mein Rechtsanwalt zuständig.«
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Wir möchten gern einen Prozeß vermeiden, meine reizende junge Dame.«
    Seine Augen betasteten sie. Wieder empfand sie jenes Gefühl heftiger körperlicher Pein, das sie Tony beschrieben hatte.
    »Es ist eine ganz belanglose Angelegenheit«, fuhr er rasch fort. »Ihr beklagenswerter Herr Vater, dessen Tod — oh, diese Tragik! — mich und meinen lieben Freund Julian eines wahren, großmütigen Freundes beraubt hat — Ihr teurer Papa war mit dieser Angelegenheit eng verknüpft. Er besaß Aktien, wir besaßen Aktien — es ging ein wenig durcheinander. An manchen Tagen sandte ich ihm einige tausend, an anderen sandte er mir einige tausend. Wir Männer waren sorglos, großmütig, nicht kleinlich veranlagt. Gestern suchte ich fünfzigtausend Stück Lulanga. Wer würde bei diesem überraschenden Kurs nicht verkaufen? Ich bin ein armer Mann. Ich durchsuche meinen Geldschrank, ich frage bei meiner Bank an, ich stürze zu meinem Makler. Überall Kopfschütteln. Dann kontrolliere ich mein Geschäftsbuch. Und was finde ich? Ich finde fünfzigtausend Lulanga als Darlehen an Lord Frensham. Eine belanglose Kleinigkeit. Er hatte Ärger mit seiner Bank, mußte als Sicherheit hundert-, zweihundert-, ich weiß nicht wie viele hunderttausend Aktien hinterlegen. Er rief mich an: ›Mein lieber Guelder, ich bin in Verlegenheit. Ich muß zur Sicherheit Aktien hinterlegen, und weil Lulanga so wertlos sind, verlangen sie von mir eine unerhörte Menge.‹ Feine Gelegenheit. Ich freue mich, dem hochherzigen Mann gefällig sein zu können. Im selben Moment hat er auch schon die Aktien. Keine Form, keine Zession, keine kleinlichen Rechtskniffe — nichts. Ich schicke ihm einfach die Aktien durch einen Botenjungen — sie sind ja an sich wertlos — und vergesse sie ganz. Wozu soll man sein Gedächtnis mit Aktien belasten, die scheinbar wertlos sind, nicht wahr? Vielleicht nachlässig. Aber es ist ja für mich kein Geschäft, sondern Ehrensache. Soll ich Sie jetzt in Ihrem Kummer belästigen, fragte ich mich? Ich berate mich nicht mit meinem guten Freund Julian. Auch er ist ein Ehrenmann, voller Zartgefühl, mit hohen Grundsätzen, dazu noch der Neffe unseres hochgeschätzten Freundes Frensham. Mir, der den nackten Vorteil der Firma vertritt, bleibt natürlich die schmerzliche Pflicht -«
    Er hielt inne,

Weitere Kostenlose Bücher