069 - Ein gerissener Kerl
für Tony Braids Gabe gegeben, Unangenehmes so vollkommen ausschalten zu können. Hätte man irgendeinen angesehenen Geschäftsmann in der City von London nach dem schlauesten jüngeren Finanzier gefragt, so hätte er sicherlich geantwortet, seiner Meinung nach sei es dieser junge Kerl in Drapers Gardens - wie hieß er doch gleich? Ah, natürlich, Reef - Julian Reef! Es gab auch eine gewisse Clique, die ohne Zögern voll Begeisterung für ihn eingetreten wäre: er war in einem bestimmten Kreis sehr beliebt.
Es gab aber auch kluge und gewichtige Finanzleute, die Julians meteorhaften Aufstieg mit einem leichten Achselzucken beobachteten.
»Er wird Millionär, aber niemals Bürgermeister von London werden«, weissagte einer von diesen. Einst brachte Mr. Reef einem großen Haus ein Projekt mit einem bombensicheren Gewinn. Der Chef des Hauses war höflich, aber ablehnend.
»Aber bester Mr. Ashlone, das ist bares Geld!« protestierte Julian.
Der weise alte Jude lächelte. »Bares Geld lacht nicht immer, Mr. Reef«, meinte er liebenswürdig. »Wir können dieses Geschäft nicht zusammen machen, ohne daß wir auch in Zukunft irgendwie mit Ihnen verbunden blieben. Und wir sind — hm — ein bißchen altfränkisch.«
Es war das erste und einzige Mal, daß Julian sich unterfing, den jungen Wein mit dem alten zu mischen. Klug erkannte er den taktischen Fehler. Es war ein Irrtum, den alten Häusern den Hof zu machen — es war, wie er sehr bald entdeckte, ein noch größeres Versehen, die neuen zu verachten.
Nun konnte man Anthony Braid weder eine neue noch eine alte Finanzmacht nennen. Er hatte sein bescheidenes Büro in Lothbury und beeinflußte eine Anzahl obskurer Diamant-Gesellschaften, die von Julians Gesichtspunkt aus höchst unbedeutend waren. In der City betrachtete man ihn weniger als Finanzmann denn als eine Autorität im Rennsport. Eine Ausnahme bildeten freilich die Cityleute, die ihn in Johannesburg gekannt hatten. Als Julian nach dem unangenehmen Streit mit dem Mann, den er am meisten in der Welt haßte, in sein Büro kam, traf er Mr. Rex Guelder auf der Schwelle seines Privatkontors.
Mr. Guelder war fett, schäbig und bebrillt. Seine Heimat war Holland, doch besuchte er aus irgendeinem merkwürdigen Grund dieses Land niemals. Er hatte ein rundes, aufgeschwemmtes, ziemlich blödes Gesicht mit hervorquellenden Augen und klaffenden Lippen. Sein Haar stand steif nach oben, seine saloppe Kleidung war Tagesgespräch in der City.
Er begrüßte Julian vertraulich wie seinesgleichen, zog ihn schnell in das Privatbüro und schloß die Tür mit einem Knall.
»Ah, mein Freund, ich muß dir was Lustiges erzählen! Deine lächerlichen Lulangas steigen wieder. Drei Sechzehntel — ein Viertel ...«
Er sprach Englisch mit einer gewissen schwerfälligen Korrektheit, obwohl sein Ausdruck schwülstig war und er das ›R‹ sehr stark rollte.
»Schade«, grinste Julian ironisch. »Ich habe heute früh achttausend verkauft — eigentlich hätten sie zwei Punkte fallen müssen.«
Guelder zog die Schultern hoch und strahlte. »Was macht das schon aus?« fragte er. »Diese Dinge sind so unbedeutend, so lächerlich.« Mit einer verächtlichen Geste tat er Lulanga-Öl ab.
»Der neue Schmelztiegel ist angekommen und wird sofort aufgestellt werden. Auch der elektrische Herd aus Solingen. In sechs Wochen wird die neue Einrichtung fertig sein. Heute morgen sind auch die Steine aus Amsterdam eingetroffen.«
Er öffnete einen Safe in der Ecke des Zimmers, entnahm ihm einen Wildlederbeutel, ließ die Steine sorgsam durch seine Hand gleiten und schüttete sie auf Julians Schreibunterlage. Fast hundert geschliffene Diamanten blitzten in tausend bunten Strahlen des Sonnenlichts. Da waren große gelbe Diamanten und Diamanten von einem satten Rot, fast von der dunklen Glut des Rubins, und Diamanten von einem matten grünlichen Schein — doch nicht einer war weiß.
»Was kosten sie?« fragte Julian mürrisch.
Guelder lachte breit.
»Einen Dreck«, spottete er. »Fünfzehntausend Pfund, dreitausend habe ich angezahlt. Acht Firmen haben sie zusammengesucht, hier, dort und überall. Was sind sie wert? Für uns, mein lieber Julian, bestimmt Millionen. Nicht, weil wir sie verkaufen werden, sondern weil ...« Er tippte sich an den Nasenflügel und blinzelte schlau.
»Tu sie weg!« Reef war heute morgen etwas gereizt. »Warum sind Lulangas denn um ein Viertel gestiegen? Ob da irgend jemand seine Finger dazwischen hat?«
Rex Guelder
Weitere Kostenlose Bücher