0690 - Die Flucht des Körperlosen
sehe ich Hunderte von Punkten rings um mich herum, die allesamt behaupteten, ebenfalls ich zu sein. Aber sie kommen einander näher. Wir streben einem gemeinsamen Ziel zu, so scheint es zu sein.
Und dann plötzlich ... ein greller Blitz! Das dumpfe Gefühl des Schmerzes hat aufgehört. Welche Kraft es auch immer gewesen sein mag, die mich zu verdrängen versucht hat, sie war erfolgreich. Sie hat mich verdrängt. Ich befinde mich nicht mehr dort, wo ich vorher war. Ich bin an einem anderen Ort. Ich weiß weder, wo ich mich zuvor aufhielt, noch, wo ich jetzt bin.
Aber die Punkte, die ebenfalls behaupten, ich zu sein, sind vorläufig verschwunden. Das mit dem gemeinsamen Ziel muß doch wohl nur Einbildung gewesen sein.
*
Zu Dutzenden auf einmal schleusten sie sie durch das larische Flaggschiff: Pariczaner, Überschwere mit klobig gebauten Körpern, Wesen einfachen Geistes, die weniger Privelegierten in Leticrons riesigem Gefolge. Leute, die er entbehren konnte.
Im dem Gang, durch den sie das Flaggschiff betraten, rieselte aus haarfeinen Düsen ein Medikament auf sie herab, das sie mit der Luft einatmeten. Es erzeugte eine nachhaltige Instinktwandlung. In Fällen der Gefahr würden sie von nun an die Nähe ihrer Genossen suchen - aber nur solange, bis eine Gruppe von höchstens sieben Mann beisammen war. Die Sieben bot das Höchstmaß an Sicherheit. Auch die Sechs war gut, und notfalls tat es auch die Fünf. Aber die Acht war tödlich. Wenn sich im Falle der Gefahr ein achter Mann an die Gruppe der sieben anschließen wollte, würden sie ihn mit Waffengewalt zurückweisen. Nicht, daß es diese Möglichkeit überhaupt gab: denn der achte Mann war mit demselben Medikament behandelt wie die sieben Mitglieder der Gruppe und würde von sich aus darauf verzichten, sich der Gruppe anzuschließen.
Am Ende des Ganges waren komplizierte Geräte installiert, die die Mentalemissionen der Pariczaner maßen und anhand einer sorgfältigen Analyse ermittelten, ob das Medikament wirksam geworden war. Der Erfolg war hundertprozentig.
Die Überschweren schritten sodann durch das Torbogenfeld eines Transmitters, der sie im Kuppelraum im Zentrum des Raumschiffs absetzte. Dort standen larische Roboter bereit, die ihnen den Weg wiesen. Sie wurden unter der hängenden Traube bleicher Hypton-Körper hindurchdirigiert und traten auf der anderen Seite des Raumes wiederum durch die Öffnung eines Transmitterfeldes, das sie unmittelbar ins Freie beförderte.
Sie materialisierten unmittelbar jenseits des Dschungelrands.
Keiner von ihnen hatte bemerkt, was inzwischen vorgefallen war.
Das Medikament, das sie eingeatmet hatten, war inzwischen in das Stadium der vollen Wirksamkeit eingetreten. In dem Beisammensein so vieler Gleichartiger witterten die Überschweren Gefahr. Sie strebten auseinander, so rasch sie konnten. Der Dschungel bot ihnen Unterschlupf. Im ersten Eifer versuchte jeder, so rasch und so weit wie möglich von allen andern fortzukommen. Erst wenn ihm das gelungen war, kam ihm zu Bewußtsein, daß er alleine auf sich selbst gestellt der Gefahr in ebenso hohem Maße ausgesetzt war wie in der Gesellschaft zu vieler anderer. Rufe gellten durch den Dschungel. Die Pariczaner verständigten sich miteinander. Kleine Gruppen begannen sich zu bilden. Die Überschweren wußten genau, was sie wollten: irgendwo in den Tiefen des Waldes lauerte eine unbeschreibliche Gefahr.
Welch eine Gefahr das war, vor der sie sich fürchteten, woher sie kam und woher sie davon wußten, darüber legten sie sich keine Rechenschaft ab.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis das, wovor sie Angst hatten, zur Wirklichkeit wurde. Seltsame Gebilde tauchten aus dem Unterholz auf: gleitende, huschende, unmenschliche Gestalten. Und wo immer sie einer Gruppe von Pariczanern ansichtig wurden, eröffneten sie unverzüglich das Feuer. Sie gingen nach einem grausamen, erbarmungslosen Schema vor: von jeder Gruppe töteten sie alle Mitglieder bis auf eines.
*
Laafnetor-Breck lauschte aufmerksam, als Hotrenor-Taak ihm seine Taktik auseinandersetzte.
„Es gibt insgesamt mehrere hundert Bewußtseinsbruchstücke.
Sie sind über die eintausend Pariczaner verteilt, und zwar muß mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, daß jeweils ein Bruchstück sich einen Wirtskörper ausgesucht hat.
Die Hyptons behaupten, daß die Stücke zu klein seien, um Initiative zu entwickeln und gezielt zu handeln. Es ist ein Instinkt, der ihnen innewohnt, der sie
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