0690 - Die Flucht des Körperlosen
ich, noch Hotrenor-Taak eine Ahnung hatten. Sie mußten ein uraltes Volk sein, älter vielleicht noch als die Welt selbst, von der sie kamen.
In ihnen stak die Weisheit der Jahrmilliarden, und ich zweifelte daran, daß ihre Funktion sich darauf beschränkte, Mitglieder des Hetos der Sieben und Ratgeber der Laren zu sein.
Hotrenor-Taak hatte auch keinen Hehl daraus gemacht, wie er schließlich in den Besitz meines Gesamtbewußtseins gelangt war. Ich schauderte abermals. Er hatte bedenkenlos fast eintausend Pariczaner massakrieren lassen, nur um das Bewußtsein eines terranischen Mutanten gefangenzusetzen!
Welch ein Ungeheuer! Und dennoch, spürte ich, empfand er sein Vorgehen nicht als verwerflich. Es war für ihn einfach etwas, das er hatte tun müssen. Ihm ersetzte die Logik den Anstand.
Diese Informationen kamen zu mir nicht etwa im Ganzen.
Hotrenor-Taak öffnete sein Visier jeweils nur für wenige Sekunden. Die Kenntnisse dessen, was sich rings um mich abgespielt hatte, wurden mir Stück für Stück vermittelt, bis sich das Bild zu runden begann und ich verstand, was wirklich geschehen war. Ich bemerkte, daß der Lare sich mir von Mal zu Mal länger offenbarte - beim ersten, zaghaften Versuch nur für die Dauer von zwei oder drei Sekunden, dann zehn oder fünfzehn und schließlich fast eine Minute.
Ich hatte den Eindruck, er wolle mir Zeit lassen, mich an den Zustand des Gefangenseins zu gewöhnen. Er hatte einen Plan, den er vorläufig noch sorgfältig geheimhielt. Er hatte diese Treibjagd nicht nur veranstaltet, um sich anderen gegenüber brüsten zu können, er trage das Bewußtsein eines terranischen Mutanten in sich, und er war - Herr über eine unglaublich fortgeschrittene Technologie! - auch auf meine Gabe der Teleportation nicht angewiesen.
Er wollte etwas. Und beizeiten würde er mich wissen lassen, was es war.
Er kam völlig überraschend. Plötzlich konnte ich die Vorgänge in seinem Bewußtsein deutlich erkennen. Ich sah die Umwelt durch seine Augen: den großen, fremdartig eingerichteten Raum, der trotz seiner Fremdartigkeit persönlichen Geschmack erkennen ließ und bei dem es sich wohl um sein Privatquartier handelte. Ich sah auch seinen Plan.
Er verlangte Informationen von mir. Er forderte Loyalität. Als Gegenleistung bot er größere Bewegungsfreiheit, als ich sie bisher gehabt hatte, und einen sicheren Unterschlupf in seinem Körper. Er mußte empfunden haben, daß es mir bei ihm behagte, daß seine und meine paraexistentielle Struktur einander überraschend ähnlich waren.
„Du siehst alles", sagte er zu mir, nachdem er mich eine Zeitlang nach Belieben hatte umherblicken lassen. „Du kennst meine Ideen, und ich will hören, was du dazu zu äußern hast."
„Du verlangst Informationen", antwortete ich. „Ein Teil davon ist präzis auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtet. Der andere Teil ist verwaschen. Ich versuche, deinen Wunsch zu deuten, und komme zu dem Schluß, daß du von mir etwas über die Mentalität der Terraner lernen möchtest."
„Nicht etwas", verbesserte er mich. .Alles!"
„Nun gut. Zu der ersten Art von Information: du willst wissen, wo sich das geheime Versteck der letzten Terraner befindet. Ich weiß es nicht."
Einen Augenblick schwieg er. Ich gewahrte die Enttäuschung in seinem Bewußtsein.
„Man kam nach Wabe 1000, um dich von dort ins Versteck zu holen!" hielt er mir vor.
„Das ist richtig. Aber die Leute, die uns abholten, wußten selbst nicht, wo das Versteck sich befindet. Du kennst die Terraner gut genug. Würdest du ihnen die Dummheit zutrauen, daß sie den Mitgliedern eines von allen Seiten gefährdeten Einsatzkommandos eine solch wertvolle Information mitgeben?"
„Wie sonst hätten sie das Versteck finden können?"
„Mach dich nicht lächerlich! Sie reisten mit einem überschnellen Raumschiff. Es wäre ein Leichtes gewesen, in den Speicher ihres Bordrechners den Befehl einzubauen, daß das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle aus dem Linearraum auftauchen und einen Hyperfunkspruch aufnehmen solle, der die Zielkoordinaten enthielt. Es mag so gewesen sein oder anders... es gibt Tausende von Möglichkeiten, wie man solch wichtige Informationen geheimhalten kann."
Er sah das ein, aber es kostete ihn Mühe, die Überraschung zu verdauen.
„Und wie steht es mit der zweiten Forderung?" fragte er schließlich.
„Laß uns nicht über deine Forderung reden", schlug ich vor, „sondern lieber über dein Angebot. Du bietest mir größere
Weitere Kostenlose Bücher