0691 - Sargasso des Alls
helfen. Ihr müßt doch wissen, woher ihr das Schanath habt und wie es hergestellt wird."
„Niemand kann das Schanath herstellen. Wir besitzen nur das, was wir jetzt haben, und es ist schon uralt. Unsere Väter und Großväter benutzten es schon, und sie erhielten es von ihren Vorfahren. Das ist wirklich alles, was ich darüber weiß."
Gucky bestätigte, daß der Gefangene die Wahrheit sprach.
Sie waren keinen Schritt weitergekommen.
Kasom hatte sich ebenfalls gesetzt und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Felsen. Vor ihnen fiel der Abgrund mehr als zweihundert Meter senkrecht in die Tiefe. Rechts und links waren steile Wände. Es war heller geworden. In den Augen des Psalta waren Angst und ein winziger Schimmer von Hoffnung zu lesen.
Gucky verspürte Mitleid mit ihm.
„Gehen wir ins Gefängnis zurück?" fragte Kasom.
Gucky schüttelte den Kopf und schaltete den Translator ab, damit ihr Gefangener sie nicht mehr verstehen konnte.
„Nein, wozu? Man hat inzwischen längst das Verschwinden des Gefangenen bemerkt, unseres übrigens auch. Man zieht entsprechende Schlüsse, wenn auch niemand eine Erklärung dafür finden kann, wie wir aus dem sicheren Gefängnis entweichen konnten. Die Polizei jedenfalls beteuert ihre Unschuld, aber sie fürchtet sich davor, dem Obersten Psalta die Hiobsbotschaft überbringen zu müssen." Er holte Luft. „Das ist die Lage, Toronar. Nach ihr müssen wir uns richten. Es wird Tag, und es hat wenig Sinn, jetzt noch etwas zu unternehmen. Unser Gefangener kann uns nicht weiterhelfen. Wir müssen uns also etwas Neues für die kommende Nacht einf allen lassen."
Kasom hatte erstaunt zugehört. Er war es nicht gewohnt, daß Gucky so lange Vorträge hielt. Immerhin aber wußte er nun, woran sie waren.
„Du kannst mich nicht davon abhalten, daß ich mir ein Stück von dem Netz herausschneide, ob es nun denkt oder nicht.
Wahrscheinlich wird es dadurch nicht einmal ernstlich beschädigt. Wir müssen wissen, woraus es besteht! Jetzt ist endgültig Schluß mit Sentimentalitäten!"
„Ja, du hast ja recht, Toronar. Aber du mußt auch meine Einstellung verstehen. Das Leben hat oft seltsame und unbegreifliche Formen angenommen, besonders in diesem Teil des Universums. Wir dürfen nicht aus Unkenntnis etwas zerstören, das vielleicht unersetzbar ist. Erst wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, dürfen wir handeln, um unser eigenes Leben zu erhalten."
Sie schalteten den Translator wieder ein.
„Du wirst Hunger haben?" fragte Kasom den Gefangenen.
Sie bereiteten aus den Konzentraten und einer Wassertablette den Brei, der auf einmal selbst Gucky recht gut schmeckte. Auch der Psalta aß, denn er schien hungrig zu sein. Er machte sich Gedanken wegen seiner Vorgesetzten, die sein Verschwinden falsch auslegen würden. Die Bestrafung konnte nicht ausbleiben.
Gucky beruhigte ihn: „Wenn wir deine Welt wieder verlassen, wird jeder erfahren, daß du unser Gefangener warst, und niemand kann dir dann einen Vorwurf machen. Deine Freunde werden dich als Helden feiern."
Das war ein schwacher Trost, aber er half. Der Psalta hoppelte ein wenig auf dem Plateau hin und her, bis er in einer Felsspalte ein Grasbüschel entdeckte, das er mit seinen geschickten Händen pflückte und voller Genuß verzehrte. Sie waren also in erster Linie Vegetarier, was Guckys Sympathie für sie nur noch verstärkte.
Immerhin überwachte er seine Gedanken, besonders etwas später, als Kasom sich auf den Rücken legte und schlief, während der Gefangene am Abgrund saß und sinnend in die Tiefe blickte.
Der Psalta dachte etwa folgendes: Fliegen müßte man können, dann wäre ich sie los... aber warum eigentlich? Sie sind gut zu mir, und sie sind Fremde.
Das Schanath... es interessiert sie. Es ist unser wertvollstes Gut, denn ohne das Schanath könnten wir unsere Welt niemals verlassen, ohne von der Energiepest gefressen zu werden... sie wollen wissen, woher wir es haben. Wenn ich etwas wüßte, würde ich es ihnen sagen ... warum denn nicht...? Aber eigentlich sollte Thaloth es wissen... er weiß doch immer alles sonst... ja, Thaloth weiß es, da bin ich sicher... er ist ein kluger Mann...
Gucky blieb ganz ruhig sitzen und überlegte.
Wer war Thaloth?
Immer wieder dachte der Psalta an Thaloth, der sein Lehrer gewesen war. Dann wechselten seine Gedanken das Thema und glitten ins private Bereiche ab.
Gucky wartete noch und esperte in die Stadt. Dort hatte die Polizei gerade dem Obersten Psalta Bericht erstattet
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