0691 - Schwester der Nacht
gebissen.
»Nun, kleine L… äh… Nicole, dieser Job hier ist also gewissermaßen unser erster Einsatz. - Aber wir haben in der Simulation alles bis zum Abwinken geübt«, fügte er schnell hinzu. Dabei blitzte er die Dämonen jägerin aggressiv an, um keinen Zweifel an SAVE aufkommen zu lassen.
Nicole konnte trotzdem ein spöttisches Lächeln nicht unterdrücken.
»Deshalb ist Ihr VAV also unterwegs hängen geblieben…«
»Kinderkrankheiten einer Spitzentechnologie!« Bockig starrte Sabinsky auf seinen Kommunikator. Er versuchte wohl, wieder Kontakt mit PFC Matsumoto aufzunehmen.
Aber das klappte nicht.
Auf dem winzigen Display erschien nur eine wehende US-Flagge. Außerdem erklang leise ein Chorgesang.
»From the halls of Montezuma to the shores of Tripoli…«
»Was ist das für ein Lied?«, fragte Nicole.
»Hymne des Marine Corps«, erwiderte Sabinsky, ohne seine Mitgefangene anzusehen. »Das ist sozusagen ein Pausenfüller, Nicole. Oh, was treibt diese stupsnasige Schnepfe von Matsumoto nur? Ich erreiche sie nicht, gottverdammte dreckige Schei…«
Er warf Nicole einen Seitenblick zu und bremste sich noch rechtzeitig.
»Unsere Technik ist super!«, beharrte der Lieutenant starrköpfig. »Wie Sie sicher wissen, Nicole, ist das US Marine Corps die beste kämpfende Truppe der Welt.«
»Das weiß doch jeder«, sagte Nicole ironisch.
»Eben.« Sabinsky hatte den Sarkasmus nicht bemerkt. »Mein Befehl ist eindeutig. Ich soll Sie und diesen Zamurka…«
»Zamorra«, berichtigte Nicole. Woher wussten diese Zukunfts-Marines von ihr und Zamorra?
»Wie auch immer. - Jedenfalls Sie und diesen Zamorra raushauen, die Vampire neutralisieren und verhindern, dass der Kaiser auch nur für eine Minute aus seinem Schönheitsschlaf erwacht!«
»Und wie wollen Sie das machen, wenn Ihre Kameradin zwischen hier und dem 23. Jahrhundert festhängt? Wo sind die anderen Einsatzkräfte?«
Wieder druckste Lieutenant Sabinsky herum.
»Nun, sehen Sie… Nicole… die SAVE-Einheit besteht gewissermaßen nur aus PFC Matsumoto und mir. Und natürlich Colonel Dwight D. Breitbart, unser Kommandant. Aber der Colonel sitzt in Camp Lejeune und überwacht unsere Mission. - Ich weiß, was Sie jetzt denken. Aber ein Marine mit seiner Waffe ist mehr wert als hundert Vampire!«, raunzte Sabinsky.
»Habe ich das Gegenteil behauptet?« Nicole hob abwehrend die Hände. Ihre anfängliche Skepsis gegen die Rettungsaktion wuchs. Inzwischen hatte sie das Gefühl, dass Lieutenant Sabinsky mindestens ebenso dringend Hilfe benötigte wie sie selbst.
Wie es Zamorra wohl ging?
***
Monsieur Grenier war zum ersten Mal in seinem Leben in Paris.
An diesem Sommerabend des Jahres 1869 spazierte der Kolonialwarenhändler aus der tiefsten Provinz durch die Passage des Panoramas.
Madame Grenier, die sich bei ihrem Gatten eingehakt hatte und ihre Leibesfülle an ihn presste, staunte nicht weniger als er selbst. Eine solche Pracht und Eleganz gab es in ihrem heimischen Städtchen nicht!
Weiße Glaskugeln, rote Laternen und blaue Transparente illuminierten die Konstruktion aus geschwungenem Eisen und feinstem Glas. Die Schaufenster boten unterschiedlichste Waren in einer wahren Pracht an. In den Auslagen der Zuckerbäcker lockten Kristallschalen und Gläser, die Modehäuser boten chinesische Seidenstoffe an, und die Waren der Juweliere bestanden aus gleißendem Gold.
Doch beeindruckender noch als die Passage selbst war das Pariser Publikum!
Wunderschöne Damen in Modellkleidern wurden von Herren begleitet, die höchstwahrscheinlich mindestens Minister am Hof des Kaisers waren. So kam es Monsieur Grenier jedenfalls vor.
Er selbst fühlte sich schrecklich klein und unbedeutend. Obwohl er sich noch am Nachmittag im Hotel seinen Zylinder hatte aufbürsten lassen!
Der Kolonialwarenhändler lächelte seiner rundlichen Gattin aufmunternd zu. Louise starrte gerade mit weit aufgerissenen Augen in das Schaufenster eines Hutmachers.
Monsieur Grenier dankte der Heiligen Jungfrau, dass dieses Geschäft bereits geschlossen hatte. Aber vielleicht würde Louise ja am nächsten Tag auf die Idee kommen, hierher zurückkehren zu wollen…
Der Besucher aus der Provinz verspürte einen Anflug von schlechter Laune.
Da schoss plötzlich direkt vor seiner Nase eine Fledermaus auf ihn zu!
Erschrocken sprang Monsieur Grenier zurück, riss dabei beinahe seine Frau mit um.
Die Fledermaus war riesig. Das wunderte den Kolonialwarenhändler allerdings nicht. Hier in Paris
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