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0695 - Blut an bleichen Lippen

0695 - Blut an bleichen Lippen

Titel: 0695 - Blut an bleichen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Außerdem weiß ich nicht, was Helden sind. Ich jedenfalls fühle mich nicht als Held. Ich bin ein Polizist, der seinen Job hat und versucht, ihn so gut wie möglich zu machen. Das ist alles, Mr. Walker.«
    »Daran würde ich zerbrechen«, gab er zu. »Immer die Angst, immer die Gefahren, immer…«
    »Ich lasse mich trotzdem nicht in den Innendienst versetzen.«
    »Ja, das glaube ich Ihnen sogar.«
    »Sehen Sie, Mr. Walker, jeder ist eben anders, und der Mensch sollte dort sein Bestes leisten, wo er hingestellt wurde oder sich hat hinstellen lassen.«
    Der Küster schielte mich an. Ich hatte ihn durch meine Worte von seinen eigentlichen Sorgen abgelenkt. »Träumen Sie von Idealvorstellungen, Mr. Sinclair?«
    »Ist das ein Traum?«
    »Ich finde schon.«
    Mein Lächeln fiel karg aus. »Ja, leider ist das ein Traum. Manchmal bin ich eben ein Traumtänzer.«
    »Das sind wir alle«, murmelte der Mann neben mir. »Wären wir das nicht, würden wir zerbrechen. Ich bin wesentlich älter als Sie, Mr. Sinclair, und auch ich habe mir noch meine Traumwelten erhalten, die kleinen Fluchten, in die ich mich ab und zu zurückziehe. Aber jetzt geht es um Lilian Demarest, und das sind keine Fluchten.«
    »Bestimmt nicht«, gab ich ihm recht. »Sagen Sie, Mr. Walker, können Sie sich noch an sie erinnern? An etwas Bestimmtes?«
    »Ich sagte Ihnen bereits, wir hatten kaum Kontakt. Ich kannte sie vom Namen her, vom Aussehen, aber eine nähere Beziehung bin ich nicht eingegangen.« Er wurde rot, weil er meinte, daß ich ihn falsch verstanden hatte, aber ich nahm ihm den Wind aus den Segeln.
    »Okay, Mr. Walker, ich habe begriffen. Sie hatten also keinen Kontakt.«
    »Nein.« Er wirkte beruhigt. »Die Familie Demarest war von uns normalen Bürgern einfach zu weit entfernt, wenn Sie verstehen. Da existierte keinerlei Kontakt.«
    »Wer hat den oder die Mörder damals gesucht?«
    »Wenn ich das noch wüßte.« Er hob die Schultern. »Irgendwelche Polizisten, Kollegen von Ihnen.«
    »Sie hat sich allerdings viel Zeit mit ihrer Rache gelassen, finde ich.«
    »Da haben Sie recht, Mr. Sinclair. Die unheimlichen Vorfälle in der Kirche liegen noch nicht lange zurück. Da muß in den letzten Wochen Schreckliches passiert sein.« Er schüttelte den Kopf und zog ein Gesicht, als müßte er noch über gewisse Dinge nachdenken.
    Ich konzentrierte mich wieder auf mein Umfeld und fuhr sehr langsam. Bedingt durch die Umgebung, war es bisher ziemlich düster gewesen. Was sich allerdings änderte, denn ich sah so etwas wie ein Licht am Ende des Tunnels.
    Der Weg hörte dort auf, wo der Uferstreifen begann, und genau da öffnete sich der andere Teil.
    Vor uns lag der See. Das heißt, dieser Begriff war übertrieben. Man konnte ihn eher als einen großen Teich ansehen, und er schimmerte wie ein türkisfarbenes Auge, über dem leichte Schleier hingen, die mir vorkamen wie dünnes Glas.
    Die Gegend wirkte geheimnisvoll und verwunschen, als würden genau hier Märchen und Legenden zu Wahrheiten werden, um sich den Menschen zu stellen.
    Die nahen Uferregionen waren bewachsen. Besonders fiel der Schilfgürtel auf, der den See wie ein dichter Vorhang umschloß. Dahinter, weg vom Ufer, breiteten starke Bäume ihre mächtigen Äste aus, aber auch Trauerweiden, die ihre dünnen Zweige der Wasseroberfläche entgegenhingen, gaben der Umgebung eine gewisse Melancholie.
    Auch der Untergrund hatte sich verändert. Wir konnten nicht mehr normal fahren, der Boden war sehr weich geworden, auch wenn er noch keinen sumpfigen Charakter besaß. Ich wollte nicht direkt bis an das Ufer heran und hielt nach einem Platz Ausschau, wo ich den Wagen wenden und abstellen konnte.
    Der war sehr bald gefunden. Als der Motor erstarb, umgab uns eine bleierne Stille.
    Ich öffnete die Tür. Im selben Augenblick legte mir Mason Walker eine Hand auf den Arm.
    »Bitte?«
    »Ich möchte nicht mit Ihnen gehen, Mr. Sinclair. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleibe ich hier am Wagen zurück. Auf den See will ich nicht hinaus.« Sein Gesicht war bleich, er fühlte sich unwohl, die Stimme kratzte und ich mußte leise lachen.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Walker. Das verstehe ich.«
    »Danke.«
    »Wenn Sie mir nur noch sagen würden, wo ich das Boot finde, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
    »Ich zeige es Ihnen.«
    Jetzt stieg er doch mit mir aus. Um das Ufer zu erreichen, brauchten wir nur wenige Schritte zu gehen. Der Boden unter unseren Schuhen war weich und federnd. Die

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