0695 - Blut an bleichen Lippen
Gesicht, in dem es arbeitete. Er schluckte, er bewegte seine Lippen, über die schließlich ein langer Seufzer drang. Dann nickte er und flüsterte: »Sie haben recht, Mr. Sinclair. Diese Erscheinung hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Lilian Demarest. Es… es ist ihr Geist gewesen…«
***
Mit dem Geständnis hatte ich zwar gerechnet, es hatte mich aber auch überrascht. Sekundenlang sprach keiner von uns, bis ich ihn schließlich fragte: »Seit wann wußten Sie es?«
»Erst seit einigen Minuten.« Er wischte den Schweiß von seiner Stirn. »Als ich die blutigen Rosen in der Kirche fand, habe ich daran nicht gedacht.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Der Küster schaute in den Garten hinein, als wäre die Bepflanzung etwas Außergewöhnliches. »Sie ist in die Kirche gekommen, Sir. Sie haben von Reue gesprochen. Könnte es sein, daß dieser Geist jeden Mord bereut oder bereuen muß?«
»Daran habe ich auch gedacht.«
»Und sie hat heute eine Rose gebracht.«
»Ja, was wiederum heißen könnte, daß sie an diesem Tag jemand umgebracht hat. Heute, Mr. Walker.«
Der Küster schüttelte sich. Verständlich, denn er war zum erstenmal in seinem Leben mit dem Übersinnlichen konfrontiert worden, was für ihn das kalte Grauen war.
Ich überlegte eine Weile und schlug dann vor, zu meinem Wagen zu gehen.
»Wollen Sie mich verlassen, Mr. Sinclair?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Was dann?« Er lief hinter mir her und mußte sich beeilen, weil meine Schritte größer waren.
Ich hatte den Rover nicht auf dem Kirchhof abgestellt, sondern davor. Als ich die Fahrertür öffnete, wollte er wieder Fragen stellen, ich aber kam ihm zuvor. »Keine Sorge, ich werde nur meine Zentrale anrufen.«
»Gut, gut.« Er strich über sein schütteres Haar. Auf seinem Kopf hatten sich Schatten abgemalt, sie stammten von den Zweigen eines Baumes, unter dem er stand.
Er schaute sich auch immer wieder vorsichtig um, als erwartete er jeden Augenblick, die geisterhafte Gestalt wieder zu sehen. Dabei war sein Gesicht von einem Schauer überzogen. Seine Handflächen putzte er mehrmals in einer Minute am Stoff der Cordhose ab.
Er sah, daß ich den Hörer auflegte und fragte mich: »Na, haben Sie Erfolg gehabt?«
Ich schaute aus dem Fahrzeug und schüttelte den Kopf. »Nein, obwohl ein Mord geschehen ist, der in dieses Schema hineinpassen würde.«
»Wo denn?«
»In einer miesen Londoner Gegend. Dort hat jemand versucht, eine Frau zu vergewaltigen.«
»Aber das hat er nicht geschafft - oder?«
»Nein.« Ich lächelte. »Die Zeugin jedoch hat ihre Aussage gemacht. Ich werde noch einmal anrufen.«
»Gut, machen Sie das.« Der Küster war erleichtert.
Ich hatte mich zuvor mit Glenda Perkins in Verbindung gesetzt und von ihr erfahren, daß Suko in einem bestimmten Fall unterwegs war. Sie wußte zum Glück, daß es dabei um einen rätselhaften Mord ging und die Überlebende von einem Gespenst gesprochen hatte.
Da liefen einige Fäden zusammen.
Suko befand sich bei den Kollegen auf dem Revier. Die Nummer hatte mir Glenda durchgegeben.
Das kostete mich nur einen Anruf.
Mittlerweile wurden die Schatten schon länger, ein Zeichen, daß sich der Abend näherte.
Und den wollte ich auf dem See oder dem Teich verbringen…
***
Mandy Miller zitterte noch immer, war bleich im Gesicht, während in ihren Augen ein flackernder Blick wie festgehakt wirkte, als Suko den Verhörraum betrat.
Er hatte die moderne Technik des Reviers hinter sich gelassen. All die Computer und Monitore, die zahlreichen Leitungen, die quäkenden Stimmen, und er stand nur in einem Raum, der sicherlich vor zwanzig Jahren nicht anders ausgesehen hatte.
Drei Stühle, ein Tisch, eine Lampe, ein Band, noch ein kleiner Tisch, auf dem eine Schreibmaschine stand.
Die Zeugin saß so, daß sie aus dem Fenster schauen konnte. Es sollte ihr das Gefühl geben, nicht eingesperrt zu sein. Aber sie zuckte zusammen, als sie Suko sah, ein Beweis dafür, daß auch bei ihr die Nerven blank lagen.
Suko lächelte ihr zu, stellte sich selbst vor und zeigte ihr zusätzlich noch seinen Ausweis.
»Soll ich den Raum verlassen?« fragte der Kollege, der Mandy zuvor verhört hatte.
»Nein, das ist nicht nötig. Bleiben Sie nur.«
»Okay.«
Suko setzte sich bequem hin. Mandy hatte inzwischen einen Pullover aus dem Fundus der Polizei bekommen, der ihr viel zu weit war. Aber sie fühlte sich nicht mehr bloß.
»Sie brauchen Ihren Namen nicht zu sagen, Mandy. Ich möchte nur noch einmal
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