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0695 - Blut an bleichen Lippen

0695 - Blut an bleichen Lippen

Titel: 0695 - Blut an bleichen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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daß Sie mich in die Kirche begleiten und ich Ihre Meinung hören möchte. Vielleicht spinne ich mir da auch etwas zusammen, möglicherweise aber nicht. Und dieser kleine Rest von Nichtwissen bereitet mir Sorgen.«
    »Gut«, sagte ich. »Lassen wie das einmal dahingestellt. Der kleine Rest bereitet Ihnen Sorgen, aber nicht dem Pfarrerehepaar.«
    »Er und seine Frau halten mich für übergeschnappt. Ich habe ihnen von meinem Verdacht berichtet und erntete nur ein Lächeln, das war alles. Sie können mir nicht glauben.«
    »Was macht Sie so sicher?«
    Er hob die Schultern. »Vielleicht meine Herkunft, Sir. Ich stamme aus einem kleinen Ort an der Westküste. Dort sieht man die Welt mit anderen Augen als hier in der Großstadt oder an der Peripherie, an der wir uns befinden. Bei uns wurde noch an Sagen und Legenden geglaubt. Da lebten Menschen mit der Natur im Einklang, da wußte jeder über den Begriff Avalon Bescheid…«
    Ich unterbrach ihn, weil mich der eine Name doch elektrisiert hatte. »Hat das etwas mit Avalon zu tun, das Sie mir zeigen wollen?«
    »Nein, sicherlich nicht. Ich möchte Sie auch gleich korrigieren, Mr. Sinclair. Sie werden wahrscheinlich nichts sehen und möglicherweise auch lächeln, aber wahrscheinlich können Sie es fühlen. Und darauf will ich hinaus.«
    »Sollen wir jetzt gehen?«
    »Pardon.« Er stand auf. »Ich habe nicht mehr daran gedacht, daß Ihre Zeit kostbar ist.«
    »So schlimm ist es auch nicht.«
    Mason Walker ging vor. Er schritt gebeugt, sein Rücken war gekrümmt, als hätte er eine schwere Last zu tragen. Neben einem schmalen Aktenschrank befand sich eine zweite Tür, die er öffnete. In der kleinen Sakristei war es ziemlich warm gewesen, jetzt strömte mir die kühle Luft aus der Kirche entgegen und ließ mich leicht frösteln.
    Es war wie immer, wenn ich ein Gotteshaus betrat. Unwillkürlich dämpfte ich meine Schritte. Ich sprach auch nie laut, senkte die Stimme zu einem Flüstern.
    Die Kirche war ziemlich groß. Wir kamen von der rechten Seite. Schräg vor mir sah ich die Reihen der dunklen Bänke, geteilt durch einen Mittelgang.
    Wir gingen dorthin, wo er endete und sich die ersten Reihen ausbreiteten. Es gab einen leeren Raum zwischen ihnen und dem Beginn der beiden breiten Stufen, die hoch zum Altar führten, wo eine schlichte graue Steinplatte von zwei schmalen Säulen gehalten wurde. Auf der Platte lag ein weißes Tuch. Es lag schräg und bedeckte das Viereck nicht einmal zur Hälfte.
    Ich schaute in den Hintergrund, wo sechs Kerzen brannten, die in zwei verschiedenen Leuchtern standen.
    Außer uns befand sich niemand in der Kirche. Es war ein Ort der Stille, der Weihe. Durch die Fenster sickerte trübes Tageslicht. Die Sonne hielt sich wieder einmal hinter den Wolken verborgen. In diesem Jahr wollte der Sommer nicht kommen.
    Der Küster schaute gegen die Decke. Sie wölbte sich über uns wie eine schmale Kuppel. Ich sah, wie er seine Nase bewegte, um einen bestimmten Geruch aufzunehmen, der mir allerdings nicht aufgefallen war. Für mich roch es normal.
    Walker nickte. »Er war wieder hier!« flüsterte er mir zu.
    »Wer?«
    »Der Geist…«
    Der Küster hatte mit ernster Stimme gesprochen, und ich fragte ihn: »Woher wissen Sie es so genau?«
    Er winkte mir zu. »Kommen Sie mit. Ich bin sicher, daß Sie gleich anders denken.«
    »Das hoffe ich doch.«
    Wir gingen die beiden breiten Stufen hoch und dann auf den schlichten Altar zu, den wir an der rechten Seite passierten. Unter unseren Füßen breitete sich der Steinboden aus. Die Fliesen waren ziemlich groß und schimmerten graugrün.
    Unruhiges Kerzenlicht floß uns entgegen und malte reflektierende Punkte und Kreise auf unsere Körper. Der Küster war auf den Raum zwischen den beiden Kerzen fixiert. Auf dem Boden breiteten sich Schatten aus, die sich an den Rändern bewegten, als würden unsichtbare Krallenhände daran zupfen.
    Er ging vor und versperrte mir die Sicht auf einen bestimmten Gegenstand. »Da ist es«, sagte er und trat einen Schritt zur Seite. »Ja, er war wieder hier.«
    Den Beweis sah ich.
    Er lag nur wenige Schritte entfernt auf dem Kirchenboden und war eine dunkelrote Rose…
    ***
    Mit allem hätte ich gerechnet, damit allerdings nicht. Ich stand da, Walker sah mir an, daß ich überlegte, aber er sagte keinen Ton und ließ mich mit meinen Gedanken allein.
    Nur sein und mein Atem waren zu hören, und so vergingen die folgenden Sekunden.
    Nun bin ich kein Mensch, der etwas gegen Blumen hat, ich mag

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