0697 - Der Elefanten-Dämon
noch nie im Leben eine Schusswaffe in der Hand gehalten. »Bring dieses Motorrad zum Stehen !«
Carol Putney blieb bemerkenswert gelassen. Langsam bremste sie die Honda ab, bis das Zweirad knatternd ausrollte. Dann stellte sie den Motor ab, blieb aber im Sattel sitzen.
»Und nun, Schlampe?«
»Nenn mich nicht so!«, fauchte Yvonne Berthemy und stieg ab. »Ich habe dir nie etwas getan! Und deinem merkwürdigen Srang auch nicht! Ich weiß nicht einmal, wer das ist!«
»Srang«, erwiderte die Ex-Agentin, »ist der mächtigste Dämon, den du dir vorstellen kannst. Und du wirst es noch bereuen, seine Dienerin erzürnt zu haben.«
Während Carol Putney langsam und fast hypnotisch sprach, rammte sie völlig unerwartet ihren Ellenbogen in Yvonnes Rippen. Die Französin wurde von einem gemeinen Schmerz durchzuckt.
Trotzdem schaffte Yvonne es, die Mündung der MPi zu heben. Und sie gegen Carols Stirn krachen zu lassen.
Die Dämonendienerin fiel aus dem Honda-Sattel. Einer ihrer Augenbrauen war aufgeplatzt. Das Blut lief über ihr schönes Gesicht. Trotzdem grinste sie zynisch.
»Hey, der Schlag war nicht von schlechten Eltern! Hätte glatt von mir stammen können. Das wird dir allerdings trotzdem nichts nützen, Schlampe! Sieh dich mal um!«
Das tat Yvonne Berthemy. Mit wachsendem Grauen. Es raschelte im Unterholz. Dann schob sich eine kleine Gestalt durch die Blätter. Einer jener bösen augenlosen Kobolde, denen Yvonne ihre Beinwunde verdankte. Und er war nicht allein.
Mindestens ein Dutzend dieser ekelhaften Kreaturen hatten Yvonne und Carol eingekreist!
***
Die Antwort des geheimnisvollen LKW-Besitzers erstaunte Zamorra und Nicole.
»Du… bist also der Sohn jenes Königs, der diese Wettermagie beherrscht haben soll?«
Dschey, der in Wahrheit Rana hieß, machte eine zustimmende Bewegung.
»Mein Vater kannte wirklich einen Weg, die Götter zu überlisten. Er hat dieses Mittel nie missbraucht, Zamorra. Das musst du mir glauben. Vater hat das Wetter gelenkt, um genug Reis für unser Volk ernten zu können. Unser Land war reich und mächtig, weil die Menschen genug zu essen hatten.«
»Und was ist nun mit diesem Artefakt?«, hakte Nicole nach.
»Das Zaubermittel besteht aus zwei Armreifen. Doch sie müssen ineinander gehakt werden, um den Wind und die Wolken lenken zu können. Deshalb hat Vater die beiden Armreifen an meinen Bruder Preah und mich weitergegeben. Nur gemeinsam sollten wir weiter für das Wohl des Khmer-Reiches wirken. Das war sein letzter Wille. Leider hat es nicht funktioniert.«
»Warum nicht?«
»Weil mein Bruder mich getötet hat, Zamorra.«
Schlagartig herrschte Schweigen im Führerstand des antiken International Harvester, der mit abgestelltem Motor über das grüne Blätterdach des Urwaldes flog.
Zamorra hatte schon länger vermutet, dass Dschey/Rana kein richtiger Mensch war. Um eine schwarzmagische Kreatur handelte es sich allerdings auch nicht. Da hätte das Amulett rechtzeitig Alarm gegeben.
»Wie kannst du neben mir sitzen, wenn du tot bist?«
Wieder ließ Rana das unverwechselbare Khmer-Lächeln sehen.
»Mein Geist wandert durch die Zeit, Zamorra. Ich habe bestimmte Fähigkeiten, die ich für das Gute einsetzen kann. Darum vermag ich diesen Benzinwagen fliegen zu lassen. Darum kann ich durch den Körper des jungen Mannes Dschey zu euch sprechen. Ich selbst bin nur ein Geistwesen.«
»Und was ist mit Dscheys Bewusstsein?«, wollte Nicole wissen.
»Es wird unbeschadet zurückkehren, sobald ich gegangen bin. Ich bin gekommen, um euch bei eurer Mission zu helfen.«
»Du wusstest also auch, dass Yvonne Berthemy uns verständigt hat?«
»Das nicht«, verneinte der seit tausend Jahren tote Prinz, »doch mir war bekannt, dass du, Zamorra, eines Tages kommen würdest, um mir zu helfen.«
»Woher wusstest du das?«
»Weil mein Vater es auf dem Sterbebett prophezeit hat.«
Diese Nachricht mussten Zamorra und Nicole erst einmal verdauen. Es vergingen einige Minuten, bis Rana weitersprach.
»Vater war das, was ihr einen Gottkönig nennen würdet. Sein Körper war zwar vergänglich, aber er kannte die Vergangenheit und die Zukunft. Sein Geist wandert durch die Zeit, so wie meiner. Vater hatte magische Fähigkeiten, die er uns vererbt hat. Allerdings hat sich mein armer Bruder Preah für die schwarze Seite entschieden.«
»Du bedauerst deinen Bruder, obwohl er dich getötet hat?«, wunderte sich Nicole.
»Preah wird niemals glücklich werden, Nicole. Ich kann nicht anders, als ihn
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