07 - Asche zu Asche
kannst meinetwegen bleiben, aber sei endlich ruhig. Du brauchst weder über mich noch über Kenny, noch über sonst was zu quasseln. Klar?«
»Soll ich dir mal was sagen?« Er schob aggressiv das Kinn vor.
»Soll ich dir mal sagen, wo dein Problem liegt, hm? Du weigerst dich einfach, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Das war immer schon dein Problem. Der Kerl hat sich eingebildet, er wär Gott, und wir andern wären nur dazu geboren, ihm in den Arsch zu kriechen. Aber das kriegst du nicht in deinen dicken Schädel rein, was?«
»Red nicht solchen Blödsinn.«
»Du hast's immer noch nicht kapiert. Er hat dich abserviert, Pook. Er hatte was Besseres gefunden. Du hast's gewußt, als es passiert ist, und trotzdem hast du immer nur darauf gewartet, daß er genug kriegen und zu dir zurückkommen würde.«
»Wir waren verheiratet. Ich wollte unsere Ehe erhalten.«
»Tolle Ehe!« Seine kleinen Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als er spöttisch grinste. »Du warst sein Fußabstreifer. Hat's dir Spaß gemacht, ihn auf dir rumtrampeln zu lassen?«
Jean drückte ihre Zigarette so behutsam aus, als wäre der Aschenbecher aus edelstem Porzellan und nicht aus Blech.
»Und macht's dir Spaß, solches Zeug zu reden?« fragte sie leise.
»Kommst du dir dann groß und stark vor?«
»Ich sage nur, was dir mal gesagt werden muß.«
»Du sagst nur, was du schon immer sagen wolltest. Seit du achtzehn Jahre alt warst.«
»So ein Quatsch! Red keinen Mist.«
»Als du zum erstenmal gemerkt hast, daß Kenny zehnmal mehr Mann war, als du je sein würdest.«
Derrick schwang die Beine zu Boden. Sein Bizeps schwoll an.
»So ein Scheißdreck. Wie kann man so 'ne Scheiße reden. Ich -« »Es reicht, Mr. Cooper«, mischte sich Barbara ein. »Sie haben sich klar genug ausgedrückt.«
Derricks Blick flog wütend zu ihr. »Was geht Sie das an?«
»Sie haben genug geredet. Wir haben begriffen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt gehen würden, damit ich mich mit Ihrer Schwester unterhalten kann.«
Er sprang auf. »Glauben Sie vielleicht, Sie können mir Vorschriften machen?«
»Ja. Ich dachte, das wäre klar. Also, finden Sie selbst raus, oder brauchen Sie meine Hilfe?«
»Ja, Wahnsinn! Ich mach mir gleich in die Hose.«
»Dann sollten Sie vielleicht vorsichtig gehen.«
Sein Gesicht lief rot an. »Sie Polizeischlampe. Ich -«
»Der!« rief Jean.
»Verschwinden Sie, Cooper«, sagte Barbara leise. »Sonst fliegen Sie so schnell in den Knast, daß Sie die Wärter nicht mal mit Ihren Muckis beeindrucken können.«
»Sie dämliche Gans -«
»Aber ich wette einen Wochenlohn, daß die Knackis von Ihnen ganz begeistert sein werden.«
Eine Ader an seiner Stirn schwoll beängstigend an. Sein Brustkasten dehnte sich. Sein rechter Arm fiel nach hinten. Sein Ellbogen winkelte sich an.
»Na, kommen Sie schon«, zischte Barbara, sich auf die Fußballen hebend. »Kommen Sie schon. Bitte. Ich trainiere seit zehn Jahren Kwai-Tan, und ich kann's gar nicht erwarten, das mal an den Mann zu bringen.«
»Derrick!« Jean stellte sich zwischen Barbara und ihren Bruder. Sein Keuchen erinnerte Barbara an einen Wasserbüffel, den sie einmal im Zoo gesehen hatte.
»Derrick«, bat Jean noch einmal. »Beruhige dich. Sie ist von der Polizei.«
»Na und?«
»Tu, was sie sagt. Derrick! Hörst du? Derrick!« Sie packte ihn am Arm und schüttelte ihn.
Seine starren Augen schienen lebendig zu werden. Er blickte von Barbara zu Jean. »Ja, klar«, sagte er. »Ich hab verstanden.«
Er hob eine Hand, als wollte er sie seiner Schwester auf die Schulter legen, doch er ließ sie fallen, noch ehe er sie berührt hatte.
»Fahr jetzt nach Hause«, sagte sie. »Ich weiß, du meinst es gut, aber wir müssen hier allein miteinander sprechen. Sie und ich.«
»Mam und Dad sind total am Ende«, jammerte er. »Wegen Kenny.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Sie haben ihn immer gemocht, Pook. Auch dann noch, als er gegangen war. Immer haben sie für ihn Partei ergriffen.«
»Das weiß ich, Der.«
»Sie haben gedacht, du wärst schuld. Ich hab gesagt, es ist unfair, so was zu denken, wenn sie überhaupt nicht wissen, was los ist, aber die haben ja nie auf mich gehört. Dad hat immer nur gesagt: Was, zum Teufel, weißt du schon darüber, wie man 'ne gute Ehe führt, du Trottel.«
»Dad war ganz von der Rolle. Er hat das nicht so gemeint.«
»Sie haben ihn immer ›Sohn‹ genannt. Wieso, Pook? Ich bin doch ihr Sohn.«
Jean strich ihm leicht über das Haar.
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