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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Schwester ihn scharf. »Im Zimmer von den Jungs sind auch noch welche. Aber schau erst innen nach, ob sein Name drin steht, eh du sie einpackst. Nimm keine von Stan mit.«
    Er verschränkte die Arme auf der Brust, so gut ihm das bei seinem Brustumfang und der Wölbung seines Bizeps' möglich war. Zweifellos wollte er mit dieser Haltung Überlegenheit demonstrieren, doch sie brachte nur seine groteske Erscheinung noch stärker zur Geltung. Mit intensivem Bodybuilding hatte er es geschafft, jeden möglichen Teil seines Körpers ins Titanische zu vergrößern. Seine Hände, seine Füße, sein Kopf und seine Ohren wirkten dagegen seltsam klein und zart.
    »Du willst mich wohl loswerden, was? Hast wohl Angst, ich erzähl dieser Polizeitante hier, mit was für einem miesen kleinen Schwein du verheiratet warst?«
    »Das reicht!« sagte Jean scharf. »Wenn du bleiben willst, dann bleib. Aber halt den Mund. Ich bin nämlich drauf und dran - ich bin so kurz davor, Der -« Sie zeigte es mit Daumen und Zeigefinger. Ihre Hand zitterte. Sie schob sie abrupt in die Tasche ihres Hausmantels. »Ach, verdammt!« flüsterte sie.
    »Verdammte Scheiße.«
    Augenblicklich veränderte sich die aggressive Miene ihres Bruders. »Du bist ja total fertig.« Er trat von der Wand weg. »Du brauchst eine Tasse Tee. Essen willst du ja nichts. Gut, dazu kann ich dich nicht zwingen. Aber du trinkst jetzt einen Tee, und wenn ich ihn dir einflößen muß. Ich mach dir einen.« Er ging in die Küche und begann dort zu rumoren.
    Jean schob die Müllsäcke näher zur Treppe. »Setzen Sie sich«, sagte sie zu Barbara. »Kommen Sie zur Sache und lassen Sie uns dann endlich in Frieden.«
    Barbara blieb neben dem alten Fernsehapparat stehen, während Jean Cooper sich weiter an den Müllbeuteln zu schaffen machte. Einen zog sie zu einem tiefen Schrank unter der Treppe. Sie holte einen Stapel Alben aus dem Schrank und hielt ihre Aufmerksamkeit auf die verstaubten Einbände gerichtet, entweder, um Barbara nicht anschauen zu müssen, oder um den Inhalt der Bände nicht sehen zu müssen. Sie schienen sowohl Zeitungsausschnitte, als auch Fotografien zu enthalten, die jedoch offenbar schlecht eingeklebt waren; mehrere Bilder und Ausschnitte fielen heraus, als Jean die großen Bücher, eines nach dem anderen, aus dem Schrank in den Müllsack beförderte.
    Barbara ging in die Knie, um sie aufzusammeln. In den Schlagzeilen jedes der Artikel war der Name Fleming mit orangefarbenem Leuchtstift hervorgehoben. Sie schienen die Karriere des Cricket-Spielers zu dokumentieren. Die Fotografien bildeten eine Chronik seines Lebens. Hier war er als Kind, dort als triumphierend lächelnder Teenager mit einer verbotenen Flasche Gin im Arm, dort als junger Vater, der lachend einen kleinen Jungen in die Luft schwang.
    Wären die Umstände, die den Tod dieses Mannes begleiteten, anders gewesen, so hätte Barbara gesagt: Warten Sie, Mrs. Cooper. Werfen Sie diese Dinge nicht fort. Heben Sie sie auf. Sie wollen sie jetzt nicht sehen, weil die Wunde noch zu frisch ist. Aber später wird das wieder anders. Lassen Sie sich also Zeit, ja?
    Doch jeglicher Impuls, solche Worte des Verständnisses auszusprechen, versiegte, als sie daran dachte, was es bedeuten konnte, wenn eine Frau so viele Erinnerungen an den Mann aufbewahrte, der sie verlassen hatte.
    Barbara schob Zeitungsausschnitte und Bilder in einen der Säcke. »Hat Ihr Mann Ihnen eigentlich darüber etwas gesagt, Mrs. Cooper?« fragte sie und reichte Jean eines der Dokumente, die sie am Morgen aus dem Sekretär in Miriam Whitelaws Haus genommen hatte. Es war ein Schreiben von einem Rechtsanwalt namens Abercrombie in der Randolph Avenue in Maida Vale. Barbara kannte den kurzen Text mittlerweile auswendig: Bestätigung eines vereinbarten Gesprächstermins.
    Jean las den Brief und gab ihn zurück. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. »Er hatte einen Termin bei einem Anwalt in Maida Vale.«
    »Das sehe ich auch, Mrs. Cooper. Hat er zu Ihnen etwas davon gesagt?«
    »Fragen Sie ihn doch. Diesen Mr. Ashercrown oder wie er sonst heißt.«
    »Ich kann natürlich Mr. Abercrombie anrufen und mir die Informationen beschaffen, die ich brauche«, sagte Barbara. »Im allgemeinen ist ein Mandant, der die Scheidung will, seinem Anwalt gegenüber sehr offen, und ein Anwalt ist der Polizei gegenüber im allgemeinen auch sehr offen, wenn sein Mandant ermordet worden ist.« Sie sah, wie Jean ihre Hand fest um den Rand eines Albums krampfte.

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