07 - Asche zu Asche
»Fahr nach Hause, Der. Es wird schon wieder. Geh jetzt, ja? Aber hinten raus.
Sonst erwischen dich noch die Reporter.«
»Vor denen hab ich keine Angst.«
»Aber es ist nicht notwendig, daß wir ihnen was zu klatschen geben. Also, geh hinten raus, okay?«
»Trink deinen Tee.«
»Ja, ich versprech's.«
Sie setzte sich auf das Sofa, als ihr Bruder zur Küche ging. Eine Tür wurde geöffnet und fiel zu. Einen Augenblick später quietschte im Garten eine Tür an rostigen Scharnieren. Jean umschloß den Teebecher mit den Händen.
»Kwai-Tan«, sagte sie zu Barbara. »Was ist das?«
Barbara merkte, daß sie immer noch auf Zehenspitzen stand. Sie ließ sich auf ihre Füße sinken und begann wieder normal zu atmen. »Ich hab keine Ahnung. Ich glaube, es ist ein Rezept für ein Hühnchengericht.«
Sie holte ihre Zigaretten aus der Umhängetasche, steckte sich eine an, rauchte und überlegte, wann ihr das letztemal eine Zigarette so köstlich geschmeckt hatte. Um zwei Müllsäcke herum ging sie zu einem der beiden Sessel der Couchgarnitur und setzte sich. Das Polster war so durchgesessen und dünn, daß sie das Gefühl hatte, auf Vogeldung zu sitzen.
»Haben Sie am Mittwoch noch einmal mit Ihrem Mann gesprochen?«
»Weshalb hätte ich das tun sollen?«
»Er wollte doch mit Ihrem Sohn verreisen. Sie wollten Mittwoch abend fliegen. Aber dann fand die Reise nicht statt. Hat er Sie angerufen, um Ihnen das zu sagen?«
»Es war Jimmys Geburtstagsgeschenk. Jedenfalls hatte er's so versprochen. Wer weiß, ob's ihm überhaupt ernst war.« »Es war ihm ernst«, sagte Barbara.
Mit einem Ruck hob Jean den Kopf.
»Wir haben die Flugtickets in einem seiner Jacketts in Kensington gefunden. Und Mrs. Whitelaw hat uns gesagt, daß sie ihm beim Packen geholfen und zugesehen hat, wie er seine Sachen im Auto verstaute. Aber irgendwann an diesem Abend hat er seine Pläne geändert. Hat er Ihnen gesagt, warum?«
Sie schüttelte den Kopf und trank von ihrem Tee. Barbara sah, daß es einer dieser Becher war, deren Dekoration sich mit der Temperatur der enthaltenen Flüssigkeit änderte. Statt des unverschämt grinsenden Elvis der frühen Jahre starrte jetzt der alte, aufgedunsene Elvis sie an.
»Hat er Jimmy Bescheid gesagt?«
Jeans Hände schlossen sich fester um den Becher. Schließlich sagte sie: »Ja. Er hat mit Jimmy gesprochen.«
»Wann war das?«
»Die Zeit weiß ich nicht.«
»Sie brauchen nicht präzise zu sein. War es morgens? Oder am Nachmittag? Oder erst kurz vor der geplanten Abreise? Er wollte doch herkommen und den Jungen abholen, nicht? Hat er erst kurz vorher angerufen?«
Jean senkte den Kopf noch tiefer.
»Denken Sie zurück«, bat Barbara. »Gehen Sie im Geist den Tag noch einmal durch. Sie sind aufgestanden, haben sich angezogen, haben die Kinder geweckt. Was weiter? Sie sind zur Arbeit gegangen. Sie sind nach Hause gekommen. Jimmy hatte für die Reise gepackt. Oder er hatte nicht gepackt. Er war aufgeregt. Oder enttäuscht. Wie war es?«
Jean starrte in ihren Tee. Obwohl sie den Kopf immer noch gesenkt hatte, konnte Barbara an der Bewegung ihres Kinns sehen, daß sie auf ihrer Unterlippe kaute. Jimmy Cooper, dachte sie mit plötzlich erwachendem Interesse. Was würden die Kollegen vom zuständigen Revier über ihn zu sagen haben?
»Wo ist Jimmy?« fragte sie. »Wenn Sie mir nichts über diese geplante Griechenlandreise mit seinem Vater sagen können -«
»Mittwoch nachmittag«, unterbrach Jean. Sie hob den Kopf, als Barbara an dem Blechaschenbecher ihre Zigarette abklopfte.
»Mittwoch nachmittag.«
»Da hat er angerufen?«
»Ich war mit Stan und Shar in der Videothek. Ich hatte ihnen erlaubt, daß sie sich jeder einen Film ausleihen dürfen. Zum Trost dafür, daß Jimmy mit seinem Vater verreisen konnte und sie nicht.«
»Das war also nach der Schule?«
»Als wir heimkamen, war die Reise abgeblasen. So um halb fünf war das.«
»Das hat Jimmy Ihnen erzählt?«
»Er brauchte es mir gar nicht zu erzählen. Er hatte alles wieder ausgepackt und seine Sachen im ganzen Zimmer rumgeschmissen.«
»Was hat er gesagt?«
»Daß er doch nicht nach Griechenland fliegen würde.«
»Und der Grund?«
»Keine Ahnung.«
»Aber Jimmy hat ihn doch gewußt.«
Sie hob den Teebecher und trank. »Ich nehme an, es hatte irgendwas mit dem Cricket zu tun. Ken hat ja gehofft, daß er wieder in die Nationalmannschaft kommt.«
»Aber Jimmy hat nichts über den Grund gesagt?«
»Er war total enttäuscht. Er wollte nicht
Weitere Kostenlose Bücher