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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sobald er etwas gegessen hatte, würde er es ihr beweisen.
    Sie umschlang seinen Hals mit beiden Armen. Ihre Finger gruben sich in sein Haar. Ihre Hüften drängten sich an seine.
    Ihm wurde gleichzeitig heiß vor Erregung und flau vor Schwäche, als zwei Begierden um die Herrschaft über seinen Körper fochten.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letztemal eine ausgewogene, kräftigende Mahlzeit zu sich genommen hatte. Es mußte mindestens sechsunddreißig Stunden her sein. Am Morgen hatte er ein lächerliches hartgekochtes Ei und eine Scheibe Toast gegessen; das zählte überhaupt nicht, wenn man die Zeitspanne bedachte, die seitdem vergangen war. Er sollte wirklich schleunigst etwas essen. Das Hühnchen mit den Artischocken stand auf der Arbeitsplatte. Es würde keine fünf Minuten dauern, diese Köstlichkeit aufzuwärmen. Noch einmal fünf Minuten, um sie zu essen. Weitere drei, um abzuspülen, wenn er das nicht Denton überlassen wollte. Ja. Das war vielleicht das beste. Essen. In weniger als einer Viertelstunde würde er wieder voll da sein, bärenstark und quicklebendig. Er stöhnte. Guter Gott! Was ging mit ihm vor? Er brauchte Nahrung. Sofort. Denn wenn er nicht aß, konnte er unmöglich ...
    Helens Hand glitt an seiner Brust abwärts, lockerte seinen Gürtel.
    »Ist Denton zu Bett gegangen, Darling?« flüsterte sie, ihren Mund an seinem.
    Denton? Was kümmerte sie Denton?
    »Er wird doch nicht etwa plötzlich in die Küche marschieren?«
    In die Küche? Hatte sie tatsächlich vor ... Nein, nein. Das konnte nicht ihr Ernst sein.
    Er hörte das Geräusch, als sie seinen Reißverschluß öffnete, und ein schwarzer Gazeschleier schien sich vor seine Augen zu senken.
    »Helen«, sagte er. »Ich habe seit Stunden nichts gegessen. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob ich überhaupt -«
    »Unsinn.« Sie drückte ihren Mund auf seinen. »Du wirst das ganz großartig machen.«
    Und so war es dann auch.

Olivia
    Ich habe fast ständig Krämpfe in den Beinen. In den letzten zwanzig Minuten sind mir vier Bleistifte runtergefallen, und ich habe nicht die Energie aufgebracht, sie aufzuheben. Ich nehme jedesmal einfach einen frischen aus der Dose. Ich schreibe stur weiter und versuche, nicht zu sehen, was in den letzten Monaten aus meiner Handschrift geworden ist.
    Eben kam Chris hier vorbei. Er blieb hinter mir stehen, legte seine Hände auf meine Schultern und massierte meine Muskeln. Ich liebe es, wenn er das tut. Er schmiegte seine Wange an meinen Kopf. »Du mußt es nicht alles auf einmal schreiben«, sagte er.
    »Doch«, entgegnete ich. »Genau das muß ich.«
    »Warum?«
    »Frag nicht. Du weißt es doch.«
    Danach ging er. Er ist jetzt im Arbeitsraum und bastelt einen Verschlag für Felix. »Zwei Meter lang«, sagte er zu mir. »Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wieviel Raum ein Kaninchen braucht.«
    Im allgemeinen arbeitet er bei Musik, aber er hat Radio und Stereoanlage nicht aufgedreht, damit ich ungestört bin und klar denken und schreiben kann. Das möchte ich ja gern, aber das Telefon läutet, und ich lausche, wie er sich meldet. Ich höre, wie seine Stimme sich verändert, weich und liebevoll wird. Ich versuche, nicht hinzuhören auf das »Ja ... Nein ... keine Veränderung ... ich kann nicht ... nein ... nein, das ist es nicht ...« Dann eine lange, schreckliche Stille, in die hinein er in einem Ton sagt, der so sehnsüchtig ist, daß es mir weh tut: »Ich verstehe.« Ich warte auf mehr, auf verräterische Geräusche wie Seufzer. Ich lausche angestrengt, während ich gleichzeitig das Alphabet rückwärts aufsage, um seine Stimme auszublenden. Ich höre ihn sagen: »Nur Geduld ...«, und die Worte auf dem Papier vor mir verschwimmen. Der Bleistift entgleitet mir und fällt zu Boden. Ich greife nach einem neuen.
    Chris kommt in die Küche. Er steckt den Wasserkocher ein, nimmt einen Becher von der Kommode, Tee aus einem Schrank. Er stützt sich mit den Händen auf die Arbeitsplatte und senkt den Kopf, als wolle er etwas genau betrachten.
    Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich würde so gern sagen: Du kannst ruhig zu ihr gehen, wenn du möchtest. Aber ich tue es nicht, weil ich Angst habe, daß er wirklich gehen könnte.
    Es tut so weh zu lieben. Warum erwarten wir immer, daß es wunderbar ist? Liebe ist Schmerz ohne Ende. Als würde einem Säure ins Herz gegossen.
    Das Wasser sprudelt und Chris gießt es in den Becher. Er sagt:
    »Möchtest du eine Tasse Tee, Livie?«
    »Ach ja«, antworte

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