07 - Asche zu Asche
Schule im Land einen Kapitän haben.
Vielleicht also sollten sich auch die Männer von der Druckerei Whitelaw einen Kapitän zulegen ...
Die Männer sahen sich nach einem Kandidaten um und wählten ihren Vorarbeiter. Wer war besser geeignet, die Mannschaft aufzustellen, als derselbe Mann, der über ihren Arbeitstag die Aufsicht führte? Hm, aber vielleicht war der Gedanke doch nicht so gut. Die Fähigkeiten, die man brauchte, um die Arbeit im Maschinenraum der Druckerei Whitelaw zu beaufsichtigen, waren nicht unbedingt das ideale Rüstzeug für einen Kapitän einer Cricket-Mannschaft, oder? Und selbst wenn, so sollte doch zwischen Arbeit und Vergnügen ein gewisser Unterschied bestehen, und wie konnte dieser Unterschied hergestellt werden, wenn der Vormann bei der Arbeit auch beim Spiel der Vormann wurde? Wäre es nicht besser, der Vorarbeiter wäre einfach einer von den Spielern und nicht der Spielführer? Wäre es nicht einem guten Betriebsklima förderlich, wenn der Vorarbeiter beim Spiel den anderen gleichgestellt wäre?
Doch, natürlich. Die Männer sahen das ein, und der Vorarbeiter ebenfalls. Sie hielten nach einem zweiten Kandidaten Ausschau, einem Mann, dem das Spiel vertraut war, der es schon in der Schule gespielt hatte, der auf dem Spielfeld zu Leistung anspornen konnte, sei es als Schlagmann oder als Werfer. Sie hatten zwei ordentliche Werfer: Shelby, den Schriftsetzer, und Franklin, der die Maschinen wartete. Und sie hatten einen hervorragenden Schlagmann: Fleming, der teilweise an der Druckerpresse arbeitete und teilweise in der Verwaltung. Hm, wie war's also mit Fleming? Wäre der der Richtige? Wenn sie ihn wählten, würden weder Shelby noch Franklin Anlaß haben zu glauben, das Team betrachte den anderen als besseren Werfer. Warum es nicht mit Fleming probieren?
Kenneth wurde also Mannschaftskapitän. Geld gab es dafür keines, und das Prestige war auch nicht größer als vorher. Aber das machte gar nichts, weil es ja einzig darum ging, ihm den Mund wäßrig zu machen, seine Sehnsucht nach dem »Was-hätte-sein-Können«, zu schüren und ihn von dem tristen »Was war« wegzulocken.
Es überraschte niemanden, am allerwenigsten Mutter, daß Kenneth seine Position als Kapitän mit großem Erfolg ausfüllte. Er stellte die Mannschaft mit Verstand und Effizienz auf, schob die Spieler so lange von einer Position zur anderen, bis er sie da hatte, wo sie sich am besten entfalten konnten. Er sah das Spiel als eine Wissenschaft und nicht als Gelegenheit, sich bei den Männern beliebt zu machen. Seine eigene Leistung war immer unverändert: Mit dem Schlagholz in der Hand war Kenneth Fleming ein Zauberer.
Niemals spielte er um des öffentlichen Ansehens willen. Er spielte Cricket, weil der den Sport liebte. Und diese Liebe zum Sport zeigte sich in allem, was er tat: von der Ernsthaftigkeit, mit der er an der Linie Aufstellung nahm, bis zu dem befriedigten Lächeln, das in seinem Gesicht aufleuchtete, wenn er den Ball getroffen hatte. Kein Wunder also, daß er der erste war, der mit Begeisterung ja sagte, als ein älterer Herr namens Hal Rashadam, der sich drei oder vier Spiele angesehen hatte, seine Dienste als Mannschaftstrainer anbot. Nur zum Spaß, meinte Rashadam. Ich habe eine Leidenschaft für das Spiel, wirklich. Habe selbst gespielt, als ich noch konnte. Wenn man schon spielt, dann sollte man richtig spielen, sage ich immer.
Einen Trainer für eine Betriebsmannschaft? Wer hatte so etwas schon einmal gehört? Woher war der Kerl überhaupt gekommen? Die Männer hatten ihn am Spielfeldrand gesehen, wie er sich das Kinn gestrichen, genickt und hin und wieder kurze Selbstgespräche geführt hatte. Sie hatten ihn für einen armen Trottel aus der Nachbarschaft gehalten und als solchen abgetan. Als Rashadam aus Haggerston an sie herantrat, um ihnen unaufgefordert seine Meinung zu ihrem Spiel zu sagen, neigten die Männer dazu, ihn nicht ernst zu nehmen.
Mutter war diejenige, die sagte: »Einen Augenblick, meine Herren. Das ist doch etwas ... Wovon sprechen Sie, Sir?«
Und sie sagte das zweifellos mit solcher Unschuld, daß keiner von ihnen auch nur ahnte, wie lange sie gebraucht hatte, um Hal Rashadam zu überreden, sich die Männer der Druckerei Whitelaw - und besonders einen von ihnen - einmal ernsthaft anzusehen. Denn natürlich war Rashadams Anwesenheit Mutter zu verdanken - wie jeder Mensch mit einem Funken Grips begriffen hätte, als der Mann sich vorstellte und Kenneth Fleming fragte:
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