07 - Asche zu Asche
trabte er im Joch vor einem Karren, der längst im Dreck steckte. Und durch das Cricket würde er sich befreien.
Sie handelte weder hastig noch kopflos. Kenneth gehörte immer noch der Werksmannschaft an; sie begann also zunächst einmal, sich die Spiele der Teams anzusehen. Anfangs schreckte es die Männer ab, wenn sie mit dem Klappstuhl in der Hand und dem Sonnenhut auf dem Kopf am Rand des Spielfelds im Mile End Park erschien. Für die Männer aus der Druckerei war sie die »Ma'am«; sowohl sie selbst als auch ihre Familien schlugen einen weiten Bogen um Miriam.
Aber davon ließ sich Mutter nicht erschüttern. Sie war dergleichen gewöhnt. Sie wußte, daß sie in ihren eleganten Sommerkleidern mit passenden Schuhen und Handtaschen eine imposante Erscheinung war. Sie wußte außerdem, daß weit mehr als Hyde Park, Green Park und die City von London sie und ihr Leben mit seinen Erfahrungen von ihren Arbeitern trennte. Aber sie vertraute zuversichtlich darauf, daß sie die Männer mit der Zeit für sich gewinnen würde. Bei jedem Spiel mischte sie sich ein wenig länger unter die Spielerfrauen. Sie sprach mit ihren Kindern. Sie machte sich zu einer von ihnen und hielt doch gleichzeitig Abstand, wenn sie neben der Teemaschine und den Keksen, die sie stets mitbrachte, am Spielfeldrand stand und rief: »Gut gespielt! Ausgezeichnet gespielt!«; wenn sie nach dem Spiel oder später in der Firma ihren Kommentar zu einem besonders guten Spielabschnitt gab. Die Spieler und ihre Familien begannen Mutters Anwesenheit zu akzeptieren, ihr mit der Zeit sogar entgegenzusehen. Nach einer Weile führte sie regelmäßige Mannschaftsbesprechungen ein, förderte die Entwicklung von Spielstrategien und die Beobachtung anderer Mannschaften.
Selbst das gegen sie gerichtete Mißtrauen Jean Coopers konnte sie allmählich überwinden. Sie wußte, daß sie auf Kenneths Zukunft nur Einfluß nehmen konnte, wenn sie Jeans Vertrauen errang, und unternahm daher alle Anstrengungen, um ihr zu beweisen, daß sie seiner würdig war. Sie zeigte großes Interesse an den schulischen Leistungen der beiden älteren Kinder. Sie vertiefte sich in Gespräche über die Gesundheit und die Entwicklung des Jüngsten, eines dreijährigen Jungen namens Stan, der sehr spät zu sprechen begonnen hatte und noch immer recht unsicher auf den Beinen war.
»Olivia war in dem Alter genauso«, bekannte Mutter. »Aber mit fünf war sie der reinste Wirbelwind, und ich hätte schon einen Maulkorb gebraucht, um sie am Plappern zu hindern.«
Mutter lachte freundlich über ihre lang vergangenen Ängste.
»Ach, ich glaube, wir sorgen uns oft viel zu sehr um sie.« Genial, dieses »Wir«.
Es war beinahe so, als hätte dieser Unglückstag auf dem Billingsgate-Markt, dieses schreckliche Gespräch zwischen Mutter und Jean, sich nie ereignet. An die Stelle von Beschimpfungen traten jetzt Gespräche über die Ausgaben für die Kinder, über Jimmys unglaubliche Ähnlichkeit mit seinem Vater, über Sharons mütterliches Wesen, das sie gleich am ersten Tag gezeigt hatte, als Jean den kleinen Stan aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatte. Mutter mied jedes Thema, das Jean ihre Unterlegenheit vor Augen geführt hätte. Wenn Jean bei der Renaissance Kenneth Flemings ihre Komplizin werden sollte, mußte sie das Gefühl der Gleichwertigkeit haben. Sie würde früher oder später dem bisher Undenkbaren zustimmen müssen, und Mutter war klug genug zu wissen, daß ihre Zustimmung nur gewonnen werden konnte, wenn Jean glaubte, die Idee stamme zum Teil auch von ihr.
Ich frage mich, ob Mutter ihre Pläne ganz systematisch vorbereitete oder zuließ, daß sie sich organisch entwickelten. Ich frage mich weiter, ob sie ihren Entschluß, in den Lauf der Dinge einzugreifen, genau in dem Moment faßte, als sie Kenneth Fleming in der Druckerei wieder begegnete. Das Bemerkenswerte und Kühne an ihren Manipulationen ist jedenfalls, daß sie wie eine natürliche Entwicklung erschienen, eine zwangsläufige Folge von Ereignissen, bei deren Untersuchung, gleich, von welcher Seite, man nicht hoffen kann, am Ursprung auf einen Machiavelli zu stoßen.
Woher kam plötzlich die Idee, daß das Werkteam einen Kapitän brauche? Nun, sie entsprang natürlich logischer Überlegung; einer freundlichen, verwunderten Frage hier und dort: Aber die englische Nationalmannschaft hat doch einen Kapitän, nicht wahr? Die Liga-Mannschaften haben Kapitäne, oder nicht? Tatsächlich muß das erste Cricket-Team jeder
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