07 - Asche zu Asche
ankleidete. »Du gibst meinem Leben andere Perspektiven. Du bietest mir etwas, das nicht finster und korrupt ist.«
Sie hörte ihm schweigend zu. Er schlüpfte in sein Hemd.
»Ich liebe es, zu dir nach Hause zu kommen und mich zu fragen, was mich wohl jetzt wieder erwartet. Ich liebe diese Ungewißheit. Ich liebe es, mir Sorgen machen zu müssen, du könntest mit der Mikrowelle das Haus in die Luft sprengen, denn wenn ich mir darüber Gedanken mache, brauche ich in diesen fünf oder fünfzehn oder fünfundzwanzig Sekunden nicht daran zu denken, welchen Mord ich nun wieder mal wie ein Wahnsinniger aufzuklären versuche, wie er verübt wurde und wer ihn begangen haben könnte.« Er suchte nach einem Paar Schuhe und sagte über die Schulter: »Das ist es, verstehst du? Oh, natürlich spielt auch die Lust eine Rolle. Die Leidenschaft. Meinetwegen auch die Hormone. Was du willst. Lust ist auf jeden Fall vorhanden, in Mengen. Das war immer so, weil ich, offen gesagt, gern mit Frauen schlafe.«
»Mit Frauen?«
»Helen, versuch jetzt nicht, mir einen Strick zu drehen. Du weißt, was ich meine.« Unter dem Bett fand er die Schuhe, die er suchte. Er schob seine Füße hinein und schnürte sie so fest, daß der Schmerz bis zu seinen Knien hinaufschoß. »Und wenn meine Lust auf dich einmal nachläßt - wie das sicher irgendwann geschehen wird -, dann bleibt immer noch das andere. Die Ablenkung, die der Grund dafür ist, daß ich dich überhaupt liebe.«
Er trat vor die Kommode und fuhr sich mehrmals mit der Bürste übers Haar. Dann ging er noch einmal zum Badezimmer, wo sie noch an der Tür stand. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und küßte sie mit Nachdruck.
»Da hast du die ganze Geschichte«, sagte er. »Von A bis Z. Jetzt entscheide dich, was du willst, und dann laß es gut sein.«
Guy Mollison wartete im Wohnzimmer, dessen Fenster zur Eaton Terrace hinausblickten. Denton hatte den Gast nicht nur mit Kaffee, Croissants, Obst und Marmelade verwöhnt, sondern auch für Unterhaltung gesorgt: Rachmaninow donnerte aus der Stereoanlage. Lynley fragte sich, wer die Musik gewählt hatte, und kam zu dem Schluß, es müsse Mollison gewesen sein. Wenn Denton durfte, wie er wollte, neigte er mehr zum Musical. Mollison saß, mit Tasse und Untertasse in der Hand, über den Couchtisch gebeugt und las die Sunday Times, die aufgeschlagen neben dem Frühstückstablett lag. Er studierte jedoch nicht die Sportseite, wie man das vom langjährigen Kapitän der englischen Nationalmannschaft so kurz vor Austragung der Meisterschaftsspiele mit Australien vielleicht erwartet hätte, sondern einen Artikel über Flemings Tod und die polizeiliche Untersuchung. Besonders schien ihn, wie Lynley bemerkte, als er auf dem Weg zur Stereoanlage am Tisch vorüberkam, eine Notiz mit der mittlerweile überholten Überschrift »Suche nach Wagen des Cricket-Spielers« zu interessieren.
Lynley schaltete die Musik aus, und Denton steckte den Kopf zur Tür herein. »Frühstück, Milord? Hier? Oder im Speisezimmer?«
Lynley zuckte zusammen. Er haßt es, im Dienst mit seinem Titel angesprochen zu werden. Brüsk sagte er: »Hier. Haben Sie Sergeant Havers erreicht?«
»Sie ist schon unterwegs. Sie war im Yard. Ich soll Ihnen ausrichten, daß die Burschen auf Posten sind. Sie verstehen wohl, was sie damit meint, nicht?«
Ja, er verstand. Barbara hatte es übernommen, die Constables, die er aus dem Wochenende geholt hatte, einzuteilen. Das war zwar irregulär - er hätte es vorgezogen, selbst mit den Leuten zu sprechen -, aber er war selbst schuld daran, daß sie die Verantwortung übernommen hatte; er hatte am Abend zuvor, als er mit Helen ins Bett gefallen war, vergessen, den Wecker zu stellen.
»Ja. Danke. Ich verstehe absolut.«
Als Denton sich zurückzog, wandte Lynley sich Mollison zu, der aufgestanden und dem Gespräch mit unverhohlenem Interesse gefolgt war.
»Wer sind Sie eigentlich?« fragte Mollison jetzt.
»Wie bitte?«
»Ich habe das Wappen neben der Türglocke gesehen, aber ich hielt es für einen Scherz.«
»Ist es auch«, erwiderte Lynley.
Mollison schien widersprechen zu wollen. Lynley goß ihm eine zweite Tasse Kaffee ein.
Mollison sagte langsam, mehr zu sich selbst als zu Lynley: »Sie haben dem Nachtportier gestern abend einen polizeilichen Dienstausweis gezeigt. Wenigstens hat er mir das erzählt.«
»Das ist schon richtig. Aber kommen wir zur Sache. Was kann ich für Sie tun, Mr. Mollison? Ich höre, Sie haben
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