07 - Asche zu Asche
einiges dazu bei, das Wimmern und Jaulen der Tiere auszublenden. Aber ich hatte Todesangst, daß das Dröhnen aufhören könnte, und begann, mir alles vorzusagen, woran ich mich aus dem Buch The Bad Child's Book of Beasts noch erinnern konnte.
Ich hatte den Yak aufgesagt, den Eisbären und den Wal, als ich zum letzten Käfig kam. In ihm lag ein kleiner Lhasa Apso. Ich schob meine behandschuhten Finger zwischen den Stäben hindurch und murmelte dabei vor mich hin, was ich von dem Vers über den Dodo noch im Kopf hatte. Er begann mit einer Zeile, in der vom Spazierengehen die Rede war. Von Luft schnappen und Sonne genießen.
Ich öffnete den Käfig und konzentrierte mich auf die Reime. Die letzten Worte der nächsten Zeile mußten sich auf »spazieren« und »genießen« reimen.
Ich streckte beide Hände nach dem Hund und suchte nach den Worten. La-la-la-genieren? La-la-la-begießen? Wie ging das nur gleich?
Ich zog den Hund zu mir heran. Vielleicht parieren? Verzieren? Dodo läßt sich's nicht verdrießen? Irgendwie mußte ich den Reim fertigbringen, denn wenn ich es nicht schaffte, würde ich zusammenbrechen, und diese Vorstellung konnte ich nicht aushalten. Ich wußte nicht, wie ich es verhindern sollte, außer indem ich rasch nach einem anderen Reim griff, einem, der mir vertrauter war, dessen Worte ich nicht vergessen konnte. Wie »Humpty-Dumpty«.
Ich hob den Hund hoch und sah seinen rechten Hinterfuß. Er hing leblos nur noch an einem Fetzen Fleisch. In dem Fleisch waren unverkennbar Abdrücke von Hundezähnen. Als hätte der Hund versucht, sich selbst den Fuß abzubeißen. Als hätte der Hund im Käfig darunter versucht, ihn abzubeißen.
Mein Blickfeld verengte sich bis auf einen Lichtpunkt. Ich schrie auf, brachte jedoch keinen Laut hervor, der Wort oder Name hätte sein können. Der Hund lag wie leblos auf meinem Arm.
Rund um mich herum war Bewegung, schwarze Schemen; die Befreier, die von Käfig zu Käfig eilten und versuchten, nicht zu atmen. Ich schnappte nach Luft, bekam aber nicht genug.
»Komm, gib ihn mir«, sagte jemand neben mir. »Livie. Livie. Gib mir den Hund.«
Ich konnte nicht loslassen. Ich konnte mich nicht rühren. Ich spürte nur, wie ich zerschmolz, als brenne mir eine riesige Flamme das Fleisch von den Knochen. Ich begann zu weinen.
»Sein Fuß«, schluchzte ich.
Nach allem, was ich im Lauf meiner Tätigkeit bei ARM gesehen hatte, erscheint es fast grotesk, daß ein Hundefuß, der an einem Fetzen toten Fleischs hing, den Panzer meiner Gleichgültigkeit sprengte. Aber so war es.
Ich spürte, wie Wut in mir zu toben begann. Ich spürte, daß das Gefühl der Ohnmacht mich hinunterzog wie Treibsand. »Genug«, sagte ich. Und dann packte ich den Benzinkanister, den Chris am Tor abgestellt hatte.
Er rief: »Livie, bleib weg da!«
Ich sagte: »Hol diesen Hund aus dem Käfig. Den drüben. Hol ihn. Ich hab gesagt, du sollst ihn holen, Chris. Los, hol ihn.« Dann begann ich, diese Hölle mit Benzin zu übergießen. Als der letzte Hund hinausgebracht, der letzte Käfig zu Boden gestoßen war, zündete ich das Streichholz an. Die Flammen schossen wie ein Geysir in die Höhe. Nie hatte ich etwas Schöneres gesehen als dieses Feuer.
Chris riß mich am Arm, sonst wäre ich vielleicht da drin geblieben und mit dieser Scheune in Flammen aufgegangen. Statt dessen torkelte ich hinaus ins Freie, vergewisserte mich, daß der Retriever aus dem Käfig befreit worden war, und rannte zur Straße. »Genug«, keuchte ich immer wieder, während ich versuchte, das Bild dieses jammervollen, kleinen hängenden Beins aus meinem Gedächtnis zu löschen.
An einer Telefonzelle in Itchen Abbas hielten wir an. Chris wählte den Notruf und meldete das Feuer. Er kam zum Lieferwagen zurück.
»Das ist mehr, als sie verdient«, sagte ich.
»Wir können sie nicht gefesselt lassen. Wir wollen keinen Mord auf dem Gewissen haben.«
»Warum? Sie hat Tausende auf dem Gewissen.«
»Eben darum sind wir anders.«
Ich starrte in die heller werdende Nacht. Vor uns tat sich der Motorway auf, eine graue Betonwunde, die das Land durchschnitt.
»Es macht keinen Spaß mehr«, sagte ich zu meinem Spiegelbild im Fenster.
Chris sah mich an. »Willst du aussteigen?«
Ich schloß die Augen. »Ich möchte nur, daß endlich Schluß ist.«
»Das kommt schon«, sagte er.
Wir schossen auf den Motorway hinaus.
12
Das Rascheln der Bettdecke weckte ihn, doch er hielt die Augen noch einen Moment geschlossen. Er lauschte ihrem Atem.
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