07 - Asche zu Asche
Antwort. »Jean-Paul läßt gerade seine Aggressionen an mir aus. Au! Vorsichtig! Ich bin doch nicht aus Gummi.«
»Hier drinnen« war das Wohnzimmer gleich um die Ecke. Man hatte die Sessel an die Wand geschoben, um einer Massagebank Platz zu machen, auf der, bäuchlings ausgestreckt, eine junge Frau ruhte. Ihr sonnengebräunter Körper, zierlich, aber durchaus üppig gebaut, war teilweise von einem weißen Laken bedeckt. Sie lag mit abgewandtem Gesicht, den Blick vielleicht auf die Fenster gerichtet, die zu einem Hof hinausgingen.
»Warum hast du nicht vorher angerufen?« fragte sie mit schläfriger Stimme, während Jean-Paul, der von Kopf bis Fuß weiß gekleidet war, ihren rechten Oberschenkel bearbeitete.
»Hm, das tut gut«, murmelte sie.
»Ich konnte nicht.«
»Wieso? Macht die schreckliche Allison wieder Schwierigkeiten?«
Mollison wurde rot. »Ich habe jemanden mitgebracht«, sagte er. »Du mußt mit ihnen sprechen, Gabbie. Tut mir leid.«
Langsam drehte sie den Kopf mit dem vollen honigblonden Haar in ihre Richtung. Der Blick der blauen Augen mit den dichten dunklen Wimpern wanderte von Mollison zu Havers und dann zu Lynley. »Und wer sind diese Herrschaften, die du da mitgebracht hast?« fragte sie, ohne Lynley aus den Augen zu lassen.
»Sie haben Kens Auto gefunden, Gabbie«, erklärte Mollison. Sein Daumen spielte nervös an seinem Finger. »Sie suchen dich. Sie haben schon angefangen, in Mayfair nachzuforschen. Es ist besser für uns beide, wenn -«
»Du meinst, es ist besser für dich.« Immer noch fixierte Gabriella Patten Lynley. Sie hob einen Fuß und drehte ihn. Jean-Paul schien das als Aufforderung zu verstehen. Er faßte zu und begann zu massieren, von den Zehen zum Ballen, über das Gewölbe zur Ferse. »Wunderbar«, murmelte sie. »Unter Ihren Händen werde ich butterweich, Jean-Paul.«
Jean-Paul blieb ganz sachlich. Seine Hand glitt ihr Bein hinauf, über das Knie zum Oberschenkel. »Stimmt nicht«, entgegnete er beinahe brüsk. »Fühlen Sie das, Madame Patten? Wie stark er sich innerhalb eines Monats verkrampft hat. Er ist steinhart. Schlimmer als vorher.« Er schnalzte mißbilligend mit der Zunge.
Lynley mußte lächeln. Jean-Paul gab besser Auskunft als ein Lügendetektor.
Abrupt schüttelte Gabriella die Hand des Masseurs ab. »Ich glaube, ich habe genug für heute.« Sie drehte sich herum, setzte sich auf und schwang die Beine von der Bank. Das Laken fiel auf ihre Hüften herab. Jean-Paul legte ihr hastig ein blütenweißes Handtuch um die Schultern. Sie schlang es sich ohne Eile nach Art eines Sarong um den Oberkörper. Während Jean-Paul die Massagebank zusammenklappte und die Sessel wieder an ihre Plätze schob, ging Gabriella zu einem Tisch, der inmitten ihrer Gäste stand. Aus einer schweren Glasschale mit Früchten nahm sie eine Orange und grub ihre manikürten Fingernägel in die Haut der Frucht. Eine Duftwolke stieg in die Luft. Gabriella begann die Schale zu entfernen und sagte leise zu Mollison:
»Danke, Judas.«
»Aber Gabbie!« beklagte sich Mollison. »Was hätte ich denn tun sollen?«
»Keine Ahnung. Warum fragst du nicht deine Leibanwältin? Die würde dich sicher mit Vergnügen beraten.«
»Du kannst nicht ewig hierbleiben.«
»Das wollte ich auch gar nicht.«
»Und sie müssen mit dir sprechen. Sie müssen wissen, was passiert ist. Damit sie den Dingen auf den Grund gehen können.« »Ach, wirklich? Und wann hast du dich entschlossen, den Zuträger zu spielen, hm?«
»Gabbie, erzähl ihnen einfach, was geschehen ist, als Ken nach Springburn kam. Erzähl ihnen, was du mir erzählt hast. Mehr wollen sie doch gar nicht wissen.«
Einen Moment lang starrte Gabriella Mollison trotzig an. Dann senkte sie den Kopf und widmete sich der Orange in ihrer Hand. Ein Stück Schale fiel ihr aus der Hand, und sie und Mollison bückten sich gleichzeitig danach. Er war etwas schneller. Sie legte ihre Hand auf die seine. »Guy«, sagte sie drängend.
»Es wird schon werden«, murmelte er tröstend. »Glaub mir. Du brauchst ihnen nur die Wahrheit zu sagen. Tust du das?«
»Wenn ich mit ihnen rede, bleibst du dann hier?«
»Das haben wir doch schon besprochen. Ich kann nicht. Das weißt du.«
»Ich meine doch nicht hinterher. Ich meine, jetzt. Solange sie hier sind. Bleibst du?«
»Allison denkt, ich bin im Sportzentrum. Ich konnte ihr ja nicht sagen, wohin ... Gabbie, ich muß nach Hause.«
»Bitte«, drängte sie. »Laß mich jetzt nicht allein. Ich weiß nicht,
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