07 - Asche zu Asche
was ich sagen soll.«
»Sag einfach die Wahrheit.«
»Hilf mir. Bitte.« Ihre Hand glitt von seiner Hand zu seinem Arm. »Bitte«, wiederholte sie. »Es dauert ja nicht lang, Guy.«
Es schien, als gelänge es Mollison nur mit einer enormen Willensanstrengung, seinen Blick von ihr loszureißen. »Aber ich kann nicht länger als eine halbe Stunde«, sagte er.
»Danke«, hauchte sie. »Ich zieh mir nur rasch was über.« Sie hastete an ihnen vorbei und verschwand in einem anderen Zimmer.
Jean-Paul machte sich diskret auf den Weg. Die anderen gingen weiter ins Wohnzimmer hinein. Barbara ließ sich in einen der beiden Sessel fallen, die unter den Fenstern standen. Sie schob ihre Umhängetasche von der Schulter und stellte sie auf den Boden, schlug dann die Beine übereinander, indem sie den Knöchel des einen auf dem Knie des anderen ablegte. Sie sah Lynley und verdrehte die Augen. Lynley lächelte. Barbara hatte bisher vorbildliche Selbstbeherrschung geübt. Gabriella Patten war die Sorte Frau, die Barbara am liebsten mit der Fliegenklatsche erschlagen würde.
Mollison spazierte zum offenen Kamin und spielte an den Seidenblättern einer künstlichen Schusterpalme. Er musterte sich in dem Spiegel über dem Sims. Dann trat er zum Bücherregal und vertiefte sich in die Betrachtung einer Sammlung von Taschenbüchern, in der vor allem Dick Francis, Jeffrey Archer und Nelson DeMille vertreten waren. Er kaute einen Moment auf seinen Fingernägeln, ehe er sich nach Lynley umdrehte.
»Es ist nicht so, wie es aussieht«, sagte er impulsiv.
»Was ist nicht so?«
Er wies mit einer Kopfbewegung zur Tür. »Der Typ. Daß er hier war. Das wirft ein schlechtes Licht auf sie. Aber es bedeutet nicht das, was Sie glauben.«
Lynley schwieg, um abzuwarten, worauf Mollison hinauswollte. Er ging zum Fenster und sah in den Hof hinaus, wo auf dem Rand eines Springbrunnens zwei kleine Vögel wippten.
»Es geht ihr nahe.«
»Was?« fragte Barbara.
»Kens Tod. Sie tut so, als berühre er sie nicht. Das ist wegen Mittwoch abend. Wegen der Dinge, die er zu ihr gesagt und die er ihr angetan hat. Sie ist verletzt, aber sie möchte es nicht zeigen. Ginge es Ihnen nicht auch so?«
»Tja, ich denke, wenn's um Mord geht, wäre ich sehr vorsichtig«, sagte Barbara. »Besonders, wenn ich die letzte wäre, die das Opfer lebend gesehen hat.«
»Sie hat nichts getan. Sie ist gegangen. Und sie hatte allen Grund dazu, wenn Sie es genau wissen wollen.«
»Eben darum sind wir hier - weil wir es genau wissen wollen.«
»Gut«, sagte Gabriella Patten, die in schwarzen Leggings und einem bunten Oberteil mit dünnen Trägern, über dem sie eine flatternde Seidenjacke trug, an der Tür zum Wohnzimmer stand. »Sie werden alles erfahren.« Sie schlenderte zum Sofa, setzte sich und schlüpfte aus ihren schwarzen Sandalen. Dann zog sie die Füße mit den lackierten Zehennägeln hoch, kuschelte sich in die Sofaecke und sah Mollison mit einem flüchtigen Lächeln an.
»Möchtest du etwas, Gabbie?« fragte er. »Tee? Kaffee? Eine Cola?«
»Es reicht mir, daß du hier bist. Danke dir.« Sie klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich. »Würdest du dich zu mir setzen?«
Mollison kam vom Bücherregal herüber und ließ sich in wohlberechnetem Abstand, wie es schien, neben ihr nieder; nahe genug, um sie fühlen zu lassen, daß er für sie da war; gleichzeitig aber außer Reichweite. Lynley fragte sich, wen dieser Abstand beeindrucken sollte: die Polizei oder Gabriella selbst? Sie nämlich schien ihn gar nicht zu bemerken. Sie richtete sich auf und wandte sich Lynley und Barbara zu.
»Sie wollen wissen, was am Mittwoch abend passiert ist«, sagte sie.
»Für den Anfang, ja«, bestätigte Lynley. »Vielleicht müssen wir aber noch weiter fragen.«
»Es gibt nicht viel zu erzählen. Ken kam nach Springburn. Wir hatten einen schlimmen Streit. Ich bin gegangen. Ich habe keine Ahnung, was danach geschah. Mit Ken, meine ich.« Sie stützte den Kopf mit den weichen blonden Locken in die offene Hand und hielt den Blick auf Barbara gerichtet, die in ihrem Heft blätterte. »Ist das nötig?« fragte sie.
Barbara blätterte weiter. Sie fand die gesuchte Seite, leckte die Spitze ihres Bleistifts und begann zu schreiben.
»Ich sagte -«, begann Gabriella.
»Sie hatten einen Streit mit Fleming. Sie sind gegangen«, murmelte Barbara, während sie schrieb. »Um welche Zeit war das?«
»Müssen Sie das alles aufschreiben?«
»Es ist das beste Mittel, um alles
Weitere Kostenlose Bücher