07 - Asche zu Asche
gefaltet -, hatte Gabriella ihnen von ihrem Telefongespräch mit Miriam Whitelaw und dem, was dazu geführt hatte, berichtet.
»Die Frau ist eine totale Heuchlerin«, sagte sie. »Sie tat immer zuckersüß, wenn sie Ken und mich zusammen sah. Aber sie hat mich gehaßt, sie wollte nicht, daß er mich heiratet, sie fand, ich sei nicht gut genug für ihn. Nach Miriams Meinung war niemand gut genug für Ken. Außer sie selbst natürlich.«
»Sie bestreitet, daß sie ein Verhältnis hatten.«
»Natürlich hatten sie kein Verhältnis«, bestätigte Gabriella.
»Aber nicht, weil sie's nicht versucht hat, das können Sie mir glauben.«
»Das hat Fleming Ihnen erzählt?«
»Das mußte er gar nicht. Ich brauchte nur hinzuschauen. Wie sie ihn immer anhimmelte, wie sie ihn behandelte, wie sie an seinen Lippen hing. Es war zum Kotzen. Und hinter seinem Rücken nörgelte sie dauernd an mir herum. An uns. Alles unter dem Vorwand, es ginge ihr einzig um Kens Wohl. Und immer hatte sie dieses widerliche, klebrige kleine Lächeln im Gesicht. ›Gabriella, nehmen Sie es mir bitte nicht übel. Ich möchte Sie wirklich nicht in Verlegenheit bringen ...‹, und dann ging's los.«
»In Verlegenheit weswegen?«
»›Wollten Sie wirklich gerade dieses Wort gebrauchen, Kind?‹« Sie gab eine Imitation von Miriam Whitelaws kultivierter Stimme, die gar nicht so schlecht war. »›Ach, das ist aber ein interessanter Standpunkt, den Sie da vertreten. Haben Sie zu diesem Thema schon etwas gelesen? Ken ist ein passionierter Leser, müssen Sie wissen.‹«
Lynley verstand genau, was Gabriella sagen wollte.
»›Sie möchten doch sicher, daß Ihre Ehe mit Ken von Dauer sein wird, nicht wahr, Kind? Dann werden Sie es mir gewiß nicht übelnehmen, wenn ich Ihnen sage, wie wichtig es ist, daß Mann und Frau sich auch auf einer gemeinsamen intellektuellen Ebene treffen und nicht nur auf einer körperlichen.‹« Gabriella schüttelte so erregt den Kopf, daß ihre blonden Locken flogen und die Male an ihrem Hals wieder sichtbar wurden. »Sie hat gewußt, daß er mich liebte und begehrte. Aber sie konnte es nicht ertragen, daß Ken Gefühle für eine andere Frau hatte, darum mußte sie unsere Beziehung heruntermachen. ›Sie sind sich natürlich im klaren darüber, daß die Glut nicht anhalten wird. Zwischen zwei Liebenden muß es mehr geben, wenn die Beziehung den Prüfungen des Alltags und der Zeit standhalten soll. Aber damit haben Sie und Ken sich ja gewiß schon auseinandergesetzt, nicht? Er wird nicht mit Ihnen den unseligen Fehler wiederholen wollen, den er mit Jean beging.‹«
Wenn sie Gabriella solche Dinge ins Gesicht gesagt hatte, was hatte die zuckersüße Mrs. Whitelaw dann wohl erst hinter Gabriellas Rücken gesagt? Mit Ken. Und alles, behauptete Gabriella, habe sie zweifellos in aller Freundlichkeit und Fürsorglichkeit ausgesprochen, ohne zu verraten, daß sie für diesen jungen Mann, den sie seit seinem fünfzehnten Lebensjahr kannte, etwas anderes empfand als mütterliche Zuneigung.
»Und darum habe ich diese Person angerufen, sobald ich in London war«, sagte Gabriella. »Sie hatte sich so viel Mühe gegeben, uns auseinanderzubringen, daß ich mir dachte, es würde sie bestimmt freuen zu hören, daß sie endlich Erfolg gehabt hatte.«
»Wie lange dauerte dieses Gespräch?«
»Nur so lang, daß ich dieser Hexe ausrichten konnte, daß sie endlich erreicht hatte, was sie wollte.«
»Um welche Zeit war das?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Um Mitternacht herum. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Aber ich bin von Kent aus direkt hierhergefahren. Es kann also nicht später als halb eins gewesen sein.«
Auch das konnte natürlich im Gespräch mit Miriam Whitelaw überprüft werden.
Lynley trank wagemutig noch einmal von seinem Kaffee, schnitt ein Gesicht und goß den Rest in den Rinnstein. Er warf den Becher in einen Müllcontainer und kehrte zum Wagen zurück.
»Also?« bohrte Barbara. »Wenn Gabriella aus dem Rennen ist, wer kommt dann für uns in Frage?«
»Inspector Ardery hat etwas für uns«, versetzte Lynley. »Wir müssen mit ihr sprechen.«
Er stieg in den Wagen. Barbara folgte ihm unter Hinterlassung eines Pfades von Kuchenkrümeln wie die Gretel aus dem Märchen. Sie knallte die Tür zu und balancierte Kaffeebecher und Törtchen auf den Knien, während sie sich anschnallte.
»Eines ist mir jetzt wenigstens klar.«
»Und zwar?«
»Etwas, das mir seit Freitag abend im Kopf herumgegangen ist. Was Sie
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