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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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... aus Deptford. Der Kumpel, mit dem er den ganzen Freitag zusammen gewesen sei, anstatt zur Schule zu gehen.
    Jimmy hatte die Kühlschranktür zugeworfen und war mit den Worten »Ich geh jetzt« zur Hintertür marschiert. Er solle doch lieber zuerst einmal zum Fenster hinausschauen, meinte Jean. Es sei ihr ernst, versicherte sie, als er nicht reagierte, und wenn er wisse, was gut für ihn sei, werde er tun, was sie ihm riet.
    Er war an der Tür stehengeblieben und hatte voll Unbehagen von ihr zum Herd geblickt und wieder zu ihr. Sie sagte, er solle herkommen, es sich ansehen. Was denn, fragte er und kräuselte dabei die Lippen auf diese verächtliche Art, die sie haßte. Komm einfach her, Jim, sagte sie, und schau dir an, was da draußen los ist.
    Sie sah ihm an, daß er ihre Aufforderung lediglich für einen Trick hielt, darum ging sie vom Fenster weg, um ihm Platz zu machen. So vorsichtig, als ob sie sich jeden Moment auf ihn' stürzen könnte, schlich er durch die Küche und starrte aus dem Fenster, wie sie es ihm geraten hatte.
    Er sah die Reporter, die drüben auf der anderen Straßenseite an ihrem Auto lehnten, einem Escort. Sie waren ja auch nicht zu übersehen. Na und, sagte er. Die waren gestern auch schon da. Aber Jean entgegnete: »Die meine ich nicht, Jim.« Er solle doch mal vor das Nachbarhaus schauen, sagte sie. Wer wohl diese Männer in dem schwarzen Volvo seien, hm? Er zuckte gleichgültig die Schultern. Das ist die Polizei, sagte sie. Er könne ja ruhig hinausgehen, wenn er wolle. Aber er solle bloß nicht glauben, daß er irgendwas allein unternehmen könne. Die Polizei würde ihn keinen Moment aus den Augen lassen.
    Das hatte er erst einmal verdauen müssen. Sie sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte. Dann fragte er, was die Polizei überhaupt wolle, und sie antwortete, es handle sich um seinen Vater. Die Polizei wolle herausbekommen, was ihm zugestoßen war. Wer am Mittwoch abend bei ihm gewesen war. Warum er ums Leben gekommen war.
    Und dann wartete sie. Sie beobachtete ihn, während er die Polizei und die Reporter beobachtete. Er versuchte, so zu tun, als kümmerte ihn das alles nicht, aber er konnte ihr nichts vormachen. Kleine Gesten verrieten ihn: wie er nervös sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte; wie er eine Faust tief in die Tasche seiner Jeans stieß. Er warf den Kopf in den Nacken und hob das Kinn und sagte, wen das denn schon interessiere, aber gleichzeitig trat er wiederum voll Unbehagen von einem Bein auf das andere, und Jean konnte sich richtig vorstellen, wie feucht seine Hände waren und wie heftig sein Magen flatterte.
    Sie wünschte, sie würde als die Überlegene aus dieser Situation hervorgehen. Sie wünschte, sie könnte ihn ganz beiläufig fragen, ob er denn nun immer noch vorhabe, an diesem schönen Sonntag morgen etwas zu unternehmen. Sie hätte ihn so gern in die Enge getrieben, die Tür aufgerissen und gesagt, er solle endlich gehen, um ihn so zu zwingen, seinen Schmerz einzugestehen, seine Angst, seine Not und seine Hilfsbedürftigkeit, die Wahrheit eben, wie auch immer sie aussehen mochte. Aber sie tat gar nichts und sagte kein Wort, denn im letzten Moment erinnerte sie sich mit schmerzhafter Klarheit, wie man sich fühlte, wenn man sechzehn Jahre alt war und vor einer Situation stand, aus der es keinen Ausweg gab. Sie hatte ihn ohne ein Wort aus der Küche stürzen und die Treppe hinaufrennen lassen und hatte ihn seither nicht in seiner Zurückgezogenheit gestört.
    Als Sharon jetzt die Treppe hinaufstieg, um ihn zu holen, sagte Jean zu Stan: »In die Küche, marsch. Der Tee ist fertig.«
    Er antwortete nicht. Sie sah, daß er mit dem kleinen Finger hingebungsvoll in der Nase bohrte, und sagte scharf: »Stan! Das ist ja ekelhaft. Laß das!« Hastig zog er den Finger zurück, senkte den Kopf und schob beide Hände unter sein Hinterteil. In milderem Ton meinte Jean: »Komm jetzt, Schatz. Ich hab schon für uns gedeckt.«
    Sie schickte ihn zur Spüle, damit er sich die Hände waschen konnte, während sie den Tee einschenkte. Er kam zum Tisch und rief: »Oh, du hast das Häschengeschirr genommen, Mam!« und schob seine Hand, die vom Waschen noch feucht war, in die ihre.
    »Ja«, erwiderte sie. »Ich hab mir gedacht, wir können eine kleine Aufheiterung gebrauchen.«
    »Kommt Jimmy runter?«
    »Ich weiß nicht. Wir werden schon sehen.«
    Stan zog sich einen Stuhl heran und nahm sich ein Vanilleplätzchen, ein Butterbrötchen und ein

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