07 - Asche zu Asche
hier nicht mehr aus. Ich hab total die Nase voll von dem Laden hier.«
»Was ist mit deiner Familie?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Jetzt, wo dein Dad tot ist -«
»Red nicht dauernd von ihm. Wen juckt's schon, wo der ist. Der war doch schon weg, ehe sie ihn umgelegt haben. Der wär nie zurückgekommen. Glaubst du vielleicht, Stan und Shar haben geglaubt, der würde eines Tages vor der Tür stehen und fragen, ob er bitte wieder hier einziehen darf?« fragte er rauh und zog an seiner Zigarette. Seine Finger hatten gelbbraune Nikotinflecken. »Du warst die einzige, die sich das eingebildet hat, Mam. Wir anderen haben genau gewußt, daß Dad nicht zurückkommt. Und von ihr haben wir auch gewußt. Gleich von Anfang an. Wir haben sie sogar kennengelernt. Aber wir haben ausgemacht, daß wir dir nichts sagen, weil wir nicht wollten, daß es dir noch schlechter geht.«
»Ihr habt Dads -?«
»Genau. Wir haben sie getroffen. Zwei- oder dreimal. Vielleicht auch viermal. Ich weiß es nicht mehr. Und wie sie sich angeschaut haben, Dad und sie, und dabei so harmlos miteinander umgegangen sind. Mr. Fleming und Mrs. Patten haben sie sich genannt, als würden sie sich nicht kennen. Dabei haben sie bestimmt, gleich als wir weg waren, gebumst wie die Wilden.« Er paffte heftig an seiner Zigarette.
»Das hab ich nicht gewußt«, flüsterte sie. Sie ging vom Bett zum Fenster. Ohne etwas zu sehen, blickte sie in den Garten hinunter. Sie hob die Hand zu den Vorhängen. Waschen, dachte sie. Sie müssen dringend gewaschen werden. »Das hättest du mir sagen sollen, Jim.«
»Weshalb? Hättest du was anders gemacht?«
»Anders?«
»Ja. Du weißt schon, was ich meine.«
Jean wandte sich widerstrebend vom Fenster ab. »Anders inwiefern?« fragte sie.
»Du hättest dich scheiden lassen sollen. Das wenigstens hättest du für Stan tun können.«
»Für Stan?«
»Er war vier, als Dad gegangen ist. Er wäre darüber weggekommen. Und dann hätte er immer noch seine Mam gehabt. Warum hast du dir das nicht mal überlegt?« Er schnippte wieder Asche in die Untertasse. »Du denkst, es war vorher schlimm, Mam. Aber jetzt ist alles noch viel schlimmer.«
In dem muffigen Zimmer spürte Jean, wie ein kalter Luftzug sie berührte, als wäre irgendwo in der Nähe in Fenster geöffnet worden. »Ich finde, du solltest mit mir reden«, sagte sie zu ihrem Sohn. »Du solltest mir die Wahrheit sagen.«
Jimmy schüttelte den Kopf und rauchte.
»Mami?« Sharon stand an der Tür.
»Jetzt nicht«, bat Jean. »Ich rede mit deinem Bruder. Das siehst du doch.«
Shar trat einen halben Schritt zurück. Ihre Augen hinter den Brillengläsern wirkten übergroß. Als sie nicht ging, sagte Jean scharf: »Hast du mich nicht gehört, Shar? Wirst du jetzt vielleicht auch noch taub? Geh wieder runter zu deinem Tee.«
»Ich -« Sharon blickte über die Schulter in Richtung Treppe.
»Da ist -«
»Spuck's aus, Shar«, sagte ihr Bruder.
»Polizei«, sagte sie. »An der Tür. Für Jimmy.«
Sobald Lynley und Barbara aus dem Bentley gestiegen waren, wurden die Reporter, die schläfrig an einem Ford Escort lehnten, quicklebendig. Sie warteten nur so lange, bis sie sicher sein konnten, daß Lynley und Barbara zum Haus der Familie Fleming wollten, dann begannen sie wie auf Kommando, sie mit Fragen zu bombardieren.
»Gibt es schon Verdächtige?« schrie einer.
Dann ein anderer: »... Mrs. Patten schon gefunden?«
Und ein dritter: »... in Mayfair. Die Schlüssel sollen auf dem Sitz gelegen haben. Können Sie das bestätigen?«
Und dazu klickten und surrten die automatischen Kameras.
Lynley ignorierte die Meute und läutete an der Tür, während Barbara einen Wagen, der ein Stück vom Haus entfernt stand, beobachtete. »Unsere Leute sind da drüben«, sagte sie leise. »Sie scheinen's darauf anzulegen, die Flemings ein bißchen aus der Ruhe zu bringen.«
Lynley hatte sie selbst schon gesehen. »Oh, das ist ihnen sicher gelungen«, meinte er.
Als die Tür sich öffnete, sahen sie sich einem jungen Mädchen mit Brille gegenüber. Ein paar Brotkrümel hingen in ihren Mundwinkeln, und am Kinn hatte sie mehrere Pickel. Lynley zeigte ihr seinen Ausweis und fragte nach Jimmy Fleming.
»Cooper«, sagte das Mädchen. »Jimmy? Sie wollen zu Jimmy?« Ohne auf seine Antwort zu warten, ließ sie sie auf der Treppe vor dem Haus stehen und rannte nach oben.
Sie gingen hinein, in ein Wohnzimmer mit einem Fernsehapparat, dessen Bildschirm von einem gewaltigen weißen Hai
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