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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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einem Brief, einem Fußabdruck - zu finden sein würde, das man im künstlichen Licht eines Cricket-Platzes oder auch eines Labors untersuchen und danach einem Gericht als unwiderlegbaren Beweis für die Identität eines Mörders vorlegen konnte. Nein, der Weg zur Wahrheit würde sich auf andere, subtilere Weise auftun: durch das Schuldbekenntnis einer Person, die nicht länger bereit war, zu schweigen; die die drückende Bürde der Ungerechtigkeit nicht länger tragen konnte.
    Lynley lief durch den dunklen Gang zwischen den Sitzreihen zu der Schranke, die die Zuschauer vom Spielfeld trennte. Er stützte die Ellbogen darauf und ließ den Blick vom Pavillon auf der linken zu den schattendunklen Markisen der Tribüne auf der rechten Seite schweifen, von dem Asphaltquadrat am hinteren Ende des Spielfelds zum Spielfeld selbst. In der Dunkelheit war die große Anzeigetafel nur ein rechteckiger Schatten, in den geisterhafte Buchstaben eingezeichnet waren, und die leicht gekrümmten Reihen weißer Sitze wirkten wie aufgefächerte Spielkarten auf einem Ebenholztisch.
    Hier hat Fleming gespielt, dachte er. Hier hat er seinen Traum gelebt. Er hat den Ball mit einer idealen Kombination aus Spielfreude und Geschick geschlagen und so selbstverständlich hundert Läufe herausgeholt, als sei er überzeugt, ihm stünden jedesmal, wenn er ans Schlagmal ging, seine hundert Läufe zu. Sein Schlagholz, sein Name und sein Porträt hätten wahrscheinlich eines Tages ihren Platz im »Long Room« unter denen anderer Cricket-Stars gefunden. Aber diese Chance und die Hoffnung, die sein Talent für die Zukunft dieses Sports bedeutet hatte, waren mit Kenneth Fleming gestorben.
    Es war das perfekte Verbrechen.
    Aus jahrelanger Erfahrung wußte Lynley, daß das perfekte Verbrechen nicht das Verbrechen ohne Beweise war; das war in einer Welt, in der es Gaschromatographie, Vergleichsmikroskope, DNS-Analysen, Computerprüfungen, Laser und Faseroptik gab, nicht mehr möglich.
    Heutzutage war das perfekte Verbrechen ein Verbrechen, bei dem keines der am Tatort gesicherten Beweisstücke so eindeutig, wie das Gesetz dies forderte, mit dem Mörder in Verbindung gebracht werden konnte. Es mochten Haare an der Leiche gefunden worden sein, aber für ihr Vorhandensein ließen sich leicht unverfängliche Erklärungen finden. Im Zimmer, bei dem Toten, waren vielleicht Fingerabdrücke gesichert worden, aber es würde sich herausstellen, daß sie von einer anderen Person stammten. Fragwürdige Anwesenheit in der Nähe des Tatorts, eine zufällige Bemerkung, die vor oder nach dem Verbrechen aufgeschnappt worden war, die Unfähigkeit, mit Sicherheit zu sagen, wo man sich zum Zeitpunkt des Mordes aufgehalten hatte ... All dies waren bloß Indizien. Wenn ein guter Verteidiger sie in die Hände bekam, waren sie für die Anklage nichts mehr wert.
    Das wußte jeder. Auch Flemings Mörder wußte das.
    In der Stille des dunklen Sportplatzes hielt Lynley sich vor Augen, wie weit die Ermittlungen nach zweiundsiebzig Stunden gediehen waren. Sie hatten nicht einen einzigen wasserdichten Beweis, der eine der von ihnen verdächtigten Personen unbestreitbar mir dem Mord verknüpfte. Auf der einen Seite hatten sie Zigarettenstummel, Fußabdrücke, Gewebefasern, Ölflecken und ein Geständnis. Auf der anderen hatten sie einen verbrannten Sessel, ein halbes Dutzend heruntergebrannter Streichhölzer und die Reste einer einzigen Benson & Hedges-Zigarette. Darüber hinaus hatten sie einen Hausschlüssel, der sich in Jimmy Coopers Besitz befunden hatte, wußten von einem Streit, den ein Bauer bei seinem Abendspaziergang belauscht hatte, von einer Prügelei auf dem Parkplatz des Cricket-Stadions, von einer Scheidungsklage, deren Eingang bestätigt werden mußte, und einer Liebesbeziehung, die ein unglückliches Ende gefunden hatte. Doch alle konkreten Beweisstücke, die sie bisher gesammelt hatten, alle Aussagen, die sie zu Protokoll genommen hatten, waren bloße Bruchstücke eines Mosaiks, das für immer unvollständig zu bleiben drohte.
    Gerade das, was ihnen fehlte, gab Lynley zu denken und versetzte ihn wie im Flug zurück in die Bibliothek seines Elternhauses in Cornwall. Gelber Feuerschein spielte über die Wände, und der Regen prasselte eintönig an die Fensterscheiben. Er lag auf dem Boden, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Seine Schwester lag, um ein Kissen gekuschelt, neben ihm. Ihr Vater saß in seinem Ohrensessel und las ihnen die Geschichte vor, die sie beide längst

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