Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
auswendig kannten: vom Verschwinden eines siegreichen Rennpferdes, dem Tod seines Trainers und der Kombinationsgabe von Sherlock Holmes. Sie hatten die Geschichte unzählige Male gehört, und immer war sie die erste, die sie sich wünschten, wenn ihr Vater sich, was selten vorkam, dazu bereit erklärte, ihnen etwas vorzulesen. Und immer, wenn die Geschichte sich ihrem Höhepunkt näherte, konnten sie es vor Spannung kaum aushalten. Lynley pflegte sich aufzusetzen, Judith ihr Kissen noch fester an sich zu drücken. Und wenn der Graf sich dann räusperte und im ehrerbietigen Ton Inspector Gregorys zu Sherlock Holmes sagte: »Gibt es vielleicht einen Punkt, auf den Sie mich aufmerksam machen möchten?«, pflegten Lynley und seine Schwester den Rest des Dialogs zu ergänzen. Lynley rief: »›Auf die merkwürdige Sache mit dem Hund in der Nacht‹«, und Judith entgegnete in gespielter Verwirrung:
    »›Der Hund hat doch in der Nacht gar nichts getan.‹« Und dann schrien beide triumphierend im Chor: »›Das ist ja gerade das Merkwürdige.‹«
    Nur hätte sich in dem Fall von Kenneth Flemings Tod der Dialog zwischen Holmes und Gregory nicht auf den Hund in der Nacht bezogen, sondern auf die Aussage der verdächtigen Person. Denn darauf richtete sich Lynleys Aufmerksamkeit: auf den merkwürdigen Punkt mit der Aussage der verdächtigen Person.
    Die fragliche Person hatte nämlich überhaupt nichts gesagt. Und gerade das war das Merkwürdige.

21
    »Gehen wir noch mal zu dem Augenblick zurück, als Sie die Tür zum Haus öffneten«, bat Lynley. »Welche Tür war es?«
    Jimmy Cooper hob eine Hand zum Mund und riß sich mit den Zähnen ein Fetzchen Haut vom Finger. Seit mehr als einer Stunde saßen sie im Vernehmungszimmer, und in dieser Zeit hatte der Junge seinen Finger zweimal blutig gebissen, ohne allem Anschein nach Schmerz zu empfinden.
    Lynley hatte Friskin und Jimmy Cooper siebenundvierzig Minuten im Vernehmungszimmer warten lassen. Er wünschte sich den Jungen so nervös wie möglich, wenn er sich schließlich zu ihnen gesellte. Fraglos hatte Friskin seinen Mandanten darüber aufgeklärt, daß diese lange Wartezeit eine wohlüberlegte Taktik der Polizei darstellte, doch über die Psyche des Jungen hatte er keine Kontrolle. Es ging hier schließlich um Jimmys Hals und nicht um den seines Anwalts. Lynley verließ sich darauf, daß der Junge das ganz klar sah.
    »Haben Sie die Absicht, gegen meinen Mandanten Anklage zu erheben?« Friskins Stimme klang gereizt. Wieder waren er und der Junge bei ihrer Ankunft in New Scotland Yard von Scharen von Journalisten bedrängt worden, und dem Anwalt schien das gar nicht zu schmecken. »Wir sind gern bereit, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, ich denke, das haben wir von Anfang an demonstriert, aber sind Sie nicht der Meinung, Jim wäre besser in der Schule aufgehoben, wenn Sie nicht die Absicht haben, Anklage gegen ihn zu erheben?«
    Lynley wies Friskin erst gar nicht darauf hin, daß Jimmy Cooper ein notorischer Schulschwänzer war, dem die George-Green-Gesamtschule nur noch mit Hilfe des Jugendamtes und der Vollzugsbeamten der Schulbehörde beikommen konnte. Er wußte, daß der Protest des Anwalts vor allem Formsache war und jeder Substanz entbehrte; eine Demonstration seiner Hilfsbereitschaft, die sich auf seinen Mandanten richtete und den Sinn hatte, dessen Vertrauen zu gewinnen.
    »Wir haben mindestens viermal immer wieder dieselben Fakten durchgekaut«, fuhr Friskin fort. »Beim fünften Mal werden sie sich nicht ändern.«
    »Können Sie mir sagen, welche Tür?« fragte Lynley wieder.
    Friskin zeigte mit einem ostentativen Seufzer seinen Ärger. Jimmy rutschte von einer Gesäßbacke auf die andere. »Das hab ich doch schon gesagt. Die Küchentür war's.«
    »Und der Schlüssel ...?«
    »Das war der aus dem Schuppen. Das hab ich Ihnen auch schon gesagt.«
    »Ja. Das haben Sie gesagt. Wir möchten nur ganz sicher gehen, daß wir Sie richtig verstanden haben. Sie haben also den Schlüssel ins Schloß geschoben. Sie haben ihn umgedreht. Was passierte dann?«
    »Was soll das heißen, was passierte dann?«
    »Das ist ja lächerlich!« funkte Friskin dazwischen.
    »Was hätte denn passieren sollen?« fragte Jimmy. »Ich hab die verdammte Tür aufgemacht und bin reingegangen.«
    »Wie haben Sie die Tür aufgemacht?«
    »Scheiße!« Jimmy stieß seinen Stuhl zurück.
    »Inspector«, zischte Friskin. »Ist diese Haarspalterei über das Öffnen einer Tür wirklich notwendig? Was

Weitere Kostenlose Bücher