07 - Asche zu Asche
Sie haben recht«, sagte er. »Und je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter werde ich. Hölle heiß machen ist angesagt.«
»Gut«, erwiderte sie. »Holen wir Jean Cooper ab, oder lassen wir sie -«
»Nicht Jean«, fiel er ihr ins Wort.
»Nicht - wen denn?«
»Jimmy.«
»Jimmy?« Barbara glaubte, sie würde gleich explodieren. Sie hielt sich an den Stuhlkanten fest, um nicht in die Luft zu gehen.
»Sir, Jimmys wegen bricht die bestimmt nicht zusammen. Frisian hat ihr sicher heute gesagt, daß Jimmy uns nicht die Fakten liefert, die wir brauchen. Sie wird Jimmy sagen, er soll standhaft bleiben. Wenn er durchhält und immer dann seine große Klappe zumacht, wenn wir nahe daran sind, ihn festzunageln, kann ihm niemand was anhaben, und das weiß er auch ganz genau. Und sie ebenfalls. Ich sag Ihnen, Sir, Jimmys wegen geht diese Jean Cooper nicht in die Knie.«
»Lassen Sie ihn gegen Mittag in den Yard bringen«, sagte Lynley nur.
»Ich versteh das nicht, Sir. Warum wollen Sie damit noch Zeit verschwenden? Die Presse wird über uns herfallen wie ein Mückenschwarm, und an die Reaktion Webberlys und Hilliers wage ich gar nicht zu denken. Wir werden damit nichts erreichen, sondern höchstens noch mehr Zeit verlieren. Sir, glauben Sie mir, wenn wir uns Jean vorknöpfen, sind wir wieder auf Kurs. Da ist was zu holen. Wenn wir uns auf Jimmy einschießen, hat das auf Jean gar keine Wirkung.«
»Da haben Sie schon recht«, gab Lynley zu. Er knüllte seine Papierserviette zusammen und warf sie auf den Tisch.
»Womit hab ich recht?«
»Daß das auf Jean Cooper keine Wirkung haben wird.«
»Na, wunderbar. Wenn ich recht habe -«
»Aber ich will ja auch gar nicht Jean Cooper die Hölle heiß machen. Also, sehen Sie zu, daß Jimmy gegen Mittag im Yard ist.«
Lynley fuhr absichtlich auf Umwegen nach Hause. Er hatte es nicht eilig. Es gab keinen Grund anzunehmen, daß eine Nachricht von Helen ihn erwartete - er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, wie wenig ihr sein Versuch, eine Entscheidung zu erzwingen, gefallen haben würde. Im übrigen hatte er die Erfahrung gemacht, daß er manchmal, wenn er nachdenken wollte, das in einer fremden Umgebung viel besser konnte als im Büro oder zu Hause. Nicht selten stahl er sich darum mitten in der Arbeit aus seinem Büro, um in den knapp fünf Minuten entfernten St. James's Park hinüberzugehen. Dort folgte er dem Fußweg rund um den See, bewunderte die Pelikane, lauschte dem Quaken der Enten auf der Insel und versuchte abzuschalten, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. So fuhr er denn an diesem Abend, statt in südwestlicher Richtung nach Belgravia, zum Regent's Park hinunter. Er rollte den Outer Circle entlang und dann den Inner Circle und landete schließlich auf der Park Road, von der ihn, ohne daß er dies beabsichtigt hatte, eine Biegung nach Westen direkt zur Einfahrt von Lord's Cricket Ground führte.
Der große Vorplatz war von den Scheinwerfern eines Arbeitertrupps erleuchtet, der ein Abflußrohr vor dem Pavillon reparierte. Als Lynley durch das Tor hineinging und Kurs auf die Tribünen nahm, hielt ein Sicherheitsbeamter ihn auf, der, nachdem Lynley ihm seinen Ausweis gezeigt und den Namen Kenneth Fleming erwähnt hatte, einem Schwatz nicht abgeneigt schien.
»Ach, von Scotland Yard sind Sie?« fragte er. »Und? Haben Sie den Fall schon aufgeklärt? Ich sag Ihnen was, meiner Ansicht nach sollten wir den Galgen wieder einführen. Das würde solche Leute bestimmt abschrecken.« Er zupfte an seiner Knollennase und spie auf den Boden. »War 'n feiner Kerl, der Fleming. Immer ein nettes Wort. Hat sich jedesmal nach der Frau und den Kindern erkundigt und jeden von uns hier mit Namen gekannt. So was gibt's selten. Das ist echte Klasse.«
Lynley murmelte: »Ja, da haben Sie recht«, und der Mann schien das als Ermunterung aufzufassen. Doch ehe er von neuem zu schwatzen anfangen konnte, fragte ihn Lynley, ob die Tribünen offen seien.
»Da werden Sie kaum was sehen«, antwortete der Mann. »Da ist fast alles dunkel. Soll ich Ihnen die Lichter anmachen?«
Danke, nein, sagte Lynley und nickte, als der Wächter ihn weiterwinkte.
Er wußte, daß es wenig Sinn hatte, das Spielfeld oder auch die Tribüne in helles Licht zu tauchen. Sowohl der gestrige Abend als auch der heutige Tag hatten ihm klar und deutlich gezeigt, daß der Schlüssel zur Wahrheit über den Tod von Kenneth Fleming nicht in irgendeinem Beweisstück - einem Haar, einem Streichholz,
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