07 - Asche zu Asche
schließen. Der Superintendent hatte an diesem Tag bereits mehr als eine Zigarre geraucht; die Luft im Zimmer war stickig, von Rauchschleiern verhangen.
Hillier nahm einen goldenen Bleistift zur Hand und benutzte ihn, um mit umfassender Geste auf die Zeitungen zu deuten. Sie enthielten ein Sortiment von Fotos, die entweder Jean Cooper oder ihren Sohn Jimmy mit oder ohne Anwalt zeigten. Zusätzlich jedoch hatte man dem Informationshunger der Leser an diesem Morgen mit einem breiter gefächerten Angebot an Bildern Rechnung getragen. Die Daily Mail brachte eine Art Fotogeschichte über das Leben von Kenneth Fleming mit Bildern seines ehemaligen Heims auf der Isle of Dogs, seiner Familie, des Hauses in Kent, der Druckerei in Stepney, Miriam Whitelaw und Gabriella Pattens. Der Guardian und der Independent nahmen eine intellektuellere Warte ein und bedienten sich dazu einer Grafik des Tatorts. Und der Daily Mirror, die Sun und der Daily Express servierten Interviews mit Sponsoren der englischen Nationalmannschaft, mit Guy Mollison und dem Kapitän der Mannschaft von Middlesex. Den größten Raum jedoch - in der Times - hatte man einer Diskussion über die steigende Zahl der Verbrechen unter Jugendlichen eingeräumt, wobei es dem Leser überlassen war, sich darüber Gedanken zu machen, was die Zeitung damit andeuten wollte, daß sie einen solchen Artikel in Verbindung mit Berichten über die Ermordung Kenneth Flemings veröffentlichte.
Immer noch seinen goldenen Bleistift in der Hand, wies Hillier auf die beiden Sessel, die seinem eigenen gegenüberstanden. Als Barbara und Lynley sich gehorsam gesetzt hatten, ging er gewichtigen Schrittes zum Schwarzen Brett an der Wand neben der Tür und studierte sehr demonstrativ die Notizen und Verlautbarungen, die dort hingen. Webberly schlenderte indessen zu seinem Schreibtisch, doch er setzte sich nicht, sondern lehnte sich mit seinem ausladenden Gesäß an die Fensterbank und schälte gemächlich eine Zigarre aus ihrer Zellophanverpackung.
»Erklären Sie das«, forderte Hillier, ohne sich vom Schwarzen Brett abzuwenden.
»Sir«, erwiderte Lynley.
Barbara starrte Lynley an. Sein Ton war ruhig, aber beileibe nicht ehrerbietig. Das würde Hillier nicht schmecken.
In kontemplativem Ton fuhr der Chief Superintendent zu sprechen fort: »Ich habe einen höchst kuriosen Morgen hinter mir. Den einen Teil habe ich damit zugebracht, die Redakteure sämtlicher größerer Tageszeitungen der Stadt abzuwimmeln; den anderen Teil am Telefon mit ehemaligen und zukünftigen Sponsoren der englischen Cricket-Nationalmannschaft. Danach folgten eine mehr als unbefriedigende Sitzung mit dem Deputy Commissioner und ein unverdauliches Mittagessen in Lord's Cricket Ground mit mehreren hochstehenden Herren des Cricket-Verbandes. Erkennen Sie in diesen Aktivitäten ein zugrundeliegendes Muster, Lord Asherton?«
Barbara spürte Lynleys Zorn über diese Anrede, und wie sehr er sich beherrschen mußte, um sich nicht von Hillier provozieren zu lassen.
Mit scheinbar vollkommener Gelassenheit sagte er: »Natürlich ist allen irgendwie Beteiligten sehr daran gelegen, daß wir den Fall so schnell wie möglich abschließen. Aber das ist doch immer so, wenn jemand ermordet wird, der im Licht der Öffentlichkeit stand. Nicht wahr ... Sir David?«
Touché, dachte Barbara und wartete gespannt auf Hilliers Reaktion.
Hilliers Gesicht, immer frisch und gut durchblutet, wirkte beinahe puterrot, als er sich zu ihnen umdrehte. Wenn sie jetzt anfingen, mit Titeln um sich zu werfen, würde er als Verlierer dastehen, das wußten sie alle.
»Ich brauche Ihnen nicht zu sagen«, bemerkte er, »daß seit der Ermordung Kenneth Flemings sechs Tage vergangen sind, Inspector.«
»Aber erst vier, seit wir den Fall bearbeiten.«
»Soweit ich feststellen kann«, fuhr Hillier fort, »haben Sie den größten Teil dieser Zeit damit vertan, im Rahmen eines sinnlosen Kesseltreibens auf einen Sechzehnjährigen ständig zwischen dem Yard und der Isle of Dogs hin- und herzupendeln.«
»Sir, das ist nicht zutreffend«, warf Barbara ein.
»Dann klären Sie mich doch auf«, versetzte Hillier mit einem absichtlich unaufrichtigen Lächeln. »Denn ich lese zwar die Zeitung, aber das ist nicht unbedingt meine bevorzugte Methode, mich über die Aktivitäten meiner Mitarbeiter zu informieren.«
Barbara kramte, auf der Suche nach ihren Notizen, in ihrer Umhängetasche. Sie sah, wie Lynley abwinkte, und als Hillier einen Augenblick später zu
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