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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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verlorene Sohn und klammerte mich, körperlich am Ende, an Sprichwörter wie »Blut ist dicker als Wasser«, als ließen sich mit ihnen die Brücken neu schlagen, die ich mit solcher Wonne abgerissen hatte. Ich wappnete mich gegen das, was kommen würde: Das hast du nun davon ... Wie fühlt man sich, wenn der Körper einfach den Dienst versagt ... Du hast deinem Vater das Herz gebrochen ... Du hast unser aller Leben zerstört ...
    Ich werde es überleben, dachte ich mir. Es sind ja nur Worte. Sie mußte sie loswerden. Und wenn sie fertig war, konnten wir von Vorwürfen über Vergangenes zu praktischen Arrangements für die Zukunft übergehen. Um die Predigt so bald wie möglich hinter mich zu bringen, bot ich ihr einen Ansatzpunkt.
    »Ich habe vieles falsch gemacht, Mutter ... Ich war doch nicht so klug, wie ich mir eingebildet habe. Es tut mir leid.«
    Nun brauchte sie den Ball nur zurückzuspielen. Ich wartete resigniert.
    »Mir auch, Olivia«, sagte sie. »Mir tut es auch leid.«
    Mehr kam nicht. Ich hatte sie bisher nicht angesehen. Jetzt hob ich den Kopf und blickte ihr in die Augen: Sie wirkten feucht, aber ich konnte nicht sagen, ob von Tränen oder vor Erschöpfung oder der Anstrengung, sich gegen eine aufziehende Migräne zu wehren. Das Alter schien sie jetzt schnell einzuholen. Wie auch immer sie eine halbe Stunde zuvor dort an der Tür ausgesehen hatte, im Moment war ihr ihr Alter anzusehen.
    Ich stellte die Frage, ohne vorher auch nur an sie gedacht zu haben. »Warum hast du mir das Telegramm geschickt?«
    »Um dir weh zu tun.«
    »Wir hätten einander helfen können.«
    »Damals nicht, Olivia.«
    »Ich habe dich gehaßt.«
    »Ich habe dir die Schuld gegeben.«
    »Tust du es noch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Und du?«
    Ich bedachte die Frage. »Ich weiß es nicht.«
    Sie lächelte flüchtig. »Mir scheint, du bist ehrlich geworden.«
    »So geht es einem, wenn man stirbt.«
    »Du darfst das nicht sagen -«
    »Auch das gehört zur Ehrlichkeit.« Ich wollte meine Teetasse auf den Tisch stellen, und sie klapperte wie ein Haufen Knochen in der Untertasse. Sie nahm sie mir ab und legte dann ihre Hand über die meine. »Du bist anders«, sagte ich. »Nicht so, wie ich erwartet habe.«
    »So ist das, wenn man liebt.«
    Sie sagte das ohne die geringste Spur von Verlegenheit. Es klang weder stolz noch abwehrend. Sie sagte es ganz sachlich.
    »Wo ist er?« fragte ich.
    Sie runzelte die Stirn, schien verwundert.
    »Kenneth«, erläuterte ich. »Wo ist er?«
    »Ken? In Griechenland. Ich habe ihn eben zum Flughafen gebracht.« Sie schien sich bewußt zu werden, wie merkwürdig sich das anhören mußte, um diese Zeit, morgens um Viertel nach vier, denn sie fügte hinzu: »Die Maschine hatte Verspätung.«
    »Du kommst also gerade vom Flughafen?«
    »Ja.«
    »Du hast viel für ihn getan, Mam.«
    »Ich? Nein. Das meiste hat er selbst geleistet. Er ist ein Arbeiter und ein Träumer. Ich habe mir nur seine Träume angehört und ihn bei seiner Arbeit ermutigt.«
    »Trotzdem ...«
    Sie lächelte liebevoll. »Ken hat sich seine eigene Welt geschaffen, Olivia. Er nimmt Staub und Wasser und macht Marmor daraus. Ich glaube, du wirst ihn mögen. Ihr seid in einem Alter, weißt du, du und Ken.«
    »Ich habe ihn gehaßt.« Ich korrigierte die Erklärung. »Ich war eifersüchtig auf ihn.«
    »Er ist ein feiner Mensch, Olivia. Was er für mich alles aus reiner Großherzigkeit getan hat ...« Sie hob ihre Hand ein wenig von der Armlehne des Sofas. »Wie kann ich dir das Leben schön machen, fragt er immer. Wie kann ich dir vergelten, was du für mich getan hast? Soll ich für dich kochen? Mit dir die Ereignisse des Tages besprechen? Meine Welt mir dir teilen? Deine Kopfschmerzen lindern? Dich zu einem Teil meines Lebens machen? Dich stolz auf mich machen?«
    »Nichts von alledem habe ich je für dich getan.«
    »Das macht nichts. Weil jetzt alles anders ist. Das ganze Leben ist jetzt anders. Ich hätte nie geglaubt, daß sich das Leben so ändern kann. Aber alles ist möglich, wenn man dafür offen ist, Darling.«
    Darling. Wohin sollte das führen? Blind stürmte ich vorwärts.
    »Das Hausboot, auf dem ich lebe. Es ist - ich werde bald einen Rollstuhl brauchen, aber das Boot ist zu - ich wollte eigentlich ... Dr. Alderson hat mir gesagt, daß es private Pflegeheime gibt.«
    »Und es gibt ein Zuhause«, sagte Mutter. »Wie dieses hier, das dein Zuhause ist.«
    »Du kannst doch nicht im Ernst wollen -«
    »Ich will«, beschloß

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