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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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auf die Stirn.
    »Livie!« Faraday sprang von seinem Stuhl und lief zu ihr.
    Sie zuckte vor ihm zurück. »Nein. Vergiß es.« Als es ihr endlich gelungen war, sich hochzuziehen und auf die Füße zu kommen, zitterten ihre Beine so heftig, daß Lynley sich fragte, ob sie es überhaupt schaffen würde, länger als eine Minute aufrecht zu stehen. Sie sagte: »Sehen Sie mich an. Los, sehen Sie mich an! Wissen Sie eigentlich, was Sie verlangen?«
    »Ja, das weiß ich«, antwortete Lynley.
    »Na gut, aber ich werd's nicht tun. Keinesfalls. Er bedeutet mir nichts. Keiner von ihnen bedeutet mir etwas. Sie sind mir alle gleichgültig. Die ganze Welt ist mir gleichgültig.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Versuchen Sie's. Sie werden es schon schaffen.«
    Sie riß die Gehhilfe heftig zur Seite und folgte ihr mit ihrem Körper. Quälend langsam und schwerfällig schleppte sie sich aus dem Zimmer. Als sie am Tisch in der Küche vorüberkam, sprang die Katze zu Boden, strich ihr einmal um die Beine und folgte ihr, als sie verschwand. Mehr als eine Minute verstrich, ehe sie das Geräusch einer Tür hörten, die hinter ihr zufiel.
    Faraday sah aus, als wollte er ihr folgen, aber er blieb, wo er war, neben ihrem Sessel. Während er noch immer in die Richtung blickte, in der sie verschwunden war, sagte er leise und schnell zu Lynley: »Miriam war an dem Abend nicht da. Ich meine, als wir ankamen. Aber ihr Wagen stand in der Garage, und im Haus brannte Licht, und der Plattenspieler lief, deshalb nahmen wir beide an ... Ich meine, es war doch ganz logisch, daß wir glaubten, sie wäre nur auf einen Sprung zu einem Nachbarn hinübergegangen.«
    »Natürlich, genau das sollte ja jeder glauben, der an dem Abend zufällig bei ihr klopfte.«
    »Nur haben wir es nicht beim Klopfen bewenden lassen. Livie hatte den Schlüssel zum Haus. Wir gingen hinein. Ich - ich habe mich im Haus nach ihr umgesehen, weil ich ihr sagen wollte, daß Livie da war. Aber ich fand sie nirgendwo. Livie sagte, ich solle gehen, und das habe ich dann auch getan.« Er wandte sich Lynley zu. »Reicht das? Für den Jungen«, fragte er beinahe flehend.
    »Nein« antwortete Lynley und fügte hinzu: »Tut mir leid«, als er die Trostlosigkeit in Faradays Gesicht sah.
    »Und was passiert? Wenn sie nicht die Wahrheit sagt?«
    »Es geht um die Zukunft eines sechzehnjährigen Jungen.«
    »Aber wenn er es nicht getan hat -«
    »Wir haben sein Geständnis. Es ist nicht zu erschüttern. Wir können es nur widerlegen, indem wir den wahren Täter identifizieren.«
    Lynley wartete auf eine Reaktion von Faraday; hoffte auf einen wenn auch noch so kleinen Hinweis darauf, was als nächstes geschehen würde. Er war am Ende seiner Weisheit angelangt. Wenn Olivia nicht nachgab, hatte er einen Unschuldigen für nichts und wieder nichts verleumdet.
    Aber Faraday antwortete nicht. Er ging nur zum Tisch in der Küche, setzte sich dort nieder und legte den Kopf in die Hände.
    »Mein Gott«, sagte er.
    »Sprechen Sie mit ihr«, bat Lynley.
    »Sie stirbt. Sie hat Angst. Ich weiß nicht die richtigen Worte.«
    Dann, dachte Lynley, waren sie verloren. Er hob seine Zeitungen vom Boden auf, faltete sie und ging in den Abend hinaus.

Olivia
    Die Schritte kamen näher. Sie klangen sicher, entschlossen. Mir wurde der Mund trocken, als ich hörte, daß sie sich auf die Tür des kleinen Salons zu bewegten. Dann wurde es abrupt still. Ich hörte, wie jemand nach Luft schnappte. Ich drehte mich um. Es war Mutter.
    Wir starrten einander an. Sie sagte: »Herr im Himmel«, und drückte dabei die Hand auf die Brust, ohne sich von der Stelle zu rühren. Ich wartete auf Kenneth. Ich lauschte nach dem Klang seiner Stimme, wenn er sagte: »Was ist denn, Miriam? Oder: Darling, ist etwas nicht in Ordnung?« Aber das einzige Geräusch, das ich vernahm, war das Tönen der Standuhr im Korridor, als sie drei Uhr schlug. Und die einzige Stimme, die ich hörte, war die meiner Mutter. »Olivia? Olivia, du? Mein Gott, was um alles in der Welt ...«
    Ich dachte, sie würde ins Zimmer kommen, aber das tat sie nicht. Sie blieb im dunklen Korridor vor der Tür und stützte sich mit einer Hand an den Türpfosten, während sie mit der anderen zum Kragen ihres Kleides faßte und ihn zusammenzog. Sie war fast verborgen in den Schatten, aber ich konnte genug sehen, um zu erkennen, daß sie nicht eines ihrer gerade geschnittenen, schlichten, aber eleganten Jackie-Kennedy-Kleider trug, sondern so einen hellen Frühjahrsfummel mit

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