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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sie.
    Und damit war die Diskussion beendet. Sie stand auf und sagte, wir müßten etwas essen. Sie half mir ins Eßzimmer, setzte mich an den Tisch und ging selbst in die Küche hinunter. Eine Viertelstunde später kam sie mit Toast und Eiern zurück. Sie brachte Erdbeermarmelade und frischen Tee. Sie setzte sich nicht mir gegenüber, sondern neben mich. Und obwohl sie diejenige gewesen war, die vorgeschlagen hatte, etwas zu essen, rührte sie praktisch nichts an.
    »Es wird schrecklich werden, Mam«, warnte ich. »Das hier. Mit mir. Mit der ALS.«
    Sie legte die Hand auf meinen Arm. »Über all das sprechen wir morgen«, meinte sie. »Und übermorgen. Und in den Tagen danach.«
    Es drückte mir die Kehle zu. Ich legte meine Gabel nieder.
    »Du bist zu Hause«, sagte Mutter, und ich wußte, daß es ihr ernst war.

25
    Lynley entdeckte Helen im Garten seines Stadthauses, wo sie mit einer Gartenschere die Rosenbüsche unsicher machte. Sie sammelte aber weder Blüten noch Knospen, sie war vielmehr dabei, verblühte Rosen abzuschneiden. Sie knipste sie ab und ließ sie einfach zu Boden fallen.
    Er beobachtete sie vom Eßzimmerfenster aus. Es begann schon zu dämmern, und das schwindende Licht legte einen weichen Glanz über sie. Es durchwirkte ihr Haar mit dunklen Goldtönen und verlieh ihrer Haut einen rosigen Schimmer. In der Erwartung andauernden guten Wetters trug sie ein aprikosenfarbenes loses Oberteil und dazupassende Leggings. An den Füßen hatte sie flache Sandalen.
    Während sie von Busch zu Busch ging, ließ er sich noch einmal ihre Frage über die Liebe durch den Kopf gehen. Wie sollte er Liebe erklären? Nicht nur ihr, sondern auch sich selbst?
    Sie wollte etwas analysiert haben, was sich zu einer Analyse nicht eignete. Für ihn war die Liebe eines der Wunder des Lebens. So wenig er erklären konnte, wie der Mond die Bewegungen des Meeres beeinflußte, wie die Drehungen der Erde um ihre Achse den Wechsel der Jahreszeiten bestimmte, wie es kam, daß auf diesem sich wie rasend drehenden Planeten alles, was auf ihm stand, auch stehenblieb und nicht ins All hinausgeschleudert wurde, so wenig konnte er erklären, warum sein Herz für sie schlug.
    Hätte er mit dem Kopf wählen können, so hätte er sich wahrscheinlich nicht Helen Clyde ausgesucht. Vermutlich hätte er sich für eine Frau entschieden, die einen Ausflug nach Chysauster Village und einen Streifzug durch die Überreste dieser prähistorischen Behausungen angemessen gewürdigt hätte, anstatt auszurufen: Du lieber Himmel, Tommy, kannst du dir vorstellen, wie dieser grauenvolle Wind die Haut der Frauen angegriffen haben muß, die damals hier gelebt haben? Eine Frau vermutlich, die gesagt hätte: Ashby de la Zouch? Ivanhoe natürlich. Die große Tjoste. Eine Frau, die bei einem Gang durch die Ruinen von Alwick Castle an Hotspur gedacht hätte und an das, was er verloren hatte, indem er sich seinem Ehrgeiz ergeben hatte. Aber diese Frau, die sich Meditationen über Chysauster hingegeben hätte, über Ashby ins Schwärmen geraten wäre und angemessene Trauer über Northumberlands Tod gezeigt hätte, wäre eben nicht Helen Clyde gewesen. Mit ihrer aufreizenden Gleichgültigkeit der tausendjährigen Geschichte gegenüber, die sie umgab; mit ihrer Fähigkeit, unbeschwert zu genießen, was das Leben jetzt und hier zu bieten hatte; mit ihrer scheinbaren Frivolität. Sie gehörte nicht an diesen Ort und nicht in diese Zeit, sie war von anderer Art und einem anderen Jahrhundert entsprungen. Sie hatten nicht den Funken einer Chance, länger als ein Jahr zu bestehen, wenn sie heirateten. Und dennoch wollte er sie haben.
    Verdammnis meiner Seele! dachte er, lächelte grimmig und lachte dann laut, als er daran dachte, wie diese Liebe geendet hatte. Es war kein gutes Omen, daß ihm die leidenschaftliche Liebeserklärung des Mohren in den Sinn kam, wenn er an Helen dachte. Andererseits jedoch würden sie vielleicht gar nichts zu befürchten haben, wenn sie dafür sorgten, daß es in ihrem Bett keine Kissen gab und daß Helen keine Taschentücher hatte.
    Ist nicht das Wesentliche die Bereitschaft, etwas zu riskieren? fragte er sich. Ist nicht das Essentielle der Glaube an die Macht eines anderen, uns zu erlösen? Das ist das Warum, Helen. Liebe entspringt nicht aus Ähnlichkeiten der Erziehung, des Lebenslaufs, der Erfahrung. Liebe wächst aus nichts und erschafft neue Liebe in ihrem Fortbestehen. Und ohne sie kehrt in der Tat das Chaos wieder.
    Draußen im Garten

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