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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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über ihre Aufsätze.
    »Wie du meinst«, entgegnete ich und ging hinaus.
    Als ich an ihr vorbeikam, streckte sie den Arm aus, um mich aufzuhalten, und legte ihre Hand einen Moment - vermutlich ganz unabsichtlich - auf meinen Bauch, in dem ihr Enkelkind wuchs. »Wir sagen deinem Vater nichts«, mahnte sie. Da wußte ich, was sie vorhatte.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich bezweifle, daß er es verstehen würde. Weiß Dad überhaupt, wo die kleinen Kinder herkommen?«
    »Hör auf, dich über deinen Vater lustig zu machen, Olivia. Er ist mehr Mann als dieser Bursche, der dich sitzengelassen hat.«
    Mit Zeigefinger und Daumen entfernte ich ihre Hand von meinem Bauch. Dann lief ich hinaus.
    Ich hörte, wie sie aufstand und zur Anrichte ging. Sie zog eine Schublade auf und kramte einen Moment darin herum. Dann ging sie in den kleinen Salon, tippte eine Nummer ins Telefon und begann zu sprechen.
    Sie vereinbarte einen Termin drei Wochen später. Schlau von ihr. Sie wollte mich schmoren lassen. In der Zwischenzeit spielten wir Theater, so ein Mittelding zwischen heiler Welt und Waffenstillstand. Mutter versuchte mehrmals, mich in ein Gespräch über die Vergangenheit - vor allem über Richie Brewster - und die Zukunft - eine Rückkehr ans Girton College - zu ziehen. Aber das Kind erwähnte sie kein einziges Mal.
    Fast ein Monat war vergangen, seit Richie mich im Commodore sitzengelassen hatte, als ich die Abtreibung machen ließ. Mutter fuhr mich hin. Sie hatte eine Klinik in Middlesex ausgesucht, so weit nördlich wie nur möglich, und dorthin fuhren wir an einem trüben Morgen durch Regen und Dieselabgase. Es hätte mich interessiert, ob sie die Klinik ausgesucht hatte, um sicher sein zu können, daß wir keinem ihrer Bekannten begegnen würden. Das, fand ich, sähe ihr ähnlich, entspräche ganz ihrer heuchlerischen Art. Ich hockte zusammengekrümmt auf meinem Platz, die Hände in die Ärmel meiner Jacke geschoben. Ich spürte, wie mein Mund sich verkrampfte.
    »Ich brauche eine Zigarette«, sagte ich schließlich.
    »Nicht im Wagen.«
    »Ich will aber eine.«
    Sie fuhr an den Straßenrand. »Olivia, du kannst doch nicht -«
    »Was kann ich nicht? Rauchen, weil das dem Kind schadet? So ein Scheiß.«
    Sie sagte sehr beherrscht: »Ich wollte damit ausdrücken, daß du so nicht weitermachen kannst, Olivia.«
    Na prächtig. Wieder mal ein Vortrag. Ich verdrehte die Augen. »Komm, fahren wir«, entgegnete ich und wedelte mit den Fingern zur Straße hin. »Mach schon, Miriam, okay?«
    Nie zuvor hatte ich sie beim Vornamen genannt, und als ich von »Mutter« zu »Miriam« wechselte, spürte ich, wie sich die Machtverhältnisse zu meinen Gunsten verschoben.
    »Es macht dir Freude, anderen weh zu tun, nicht?«
    »Bitte! Fangen wir doch nicht wieder damit an.«
    »Ich kann so etwas nicht verstehen«, sagte sie im Dulderinnenton. »Ich will es versuchen. Erkläre es mir. Woher kommt deine Grausamkeit? Wie soll ich mit ihr umgehen?«
    »Fahr endlich! Fahr mich in die Klinik, damit wir's hinter uns bringen können.«
    »Erst will ich mit dir reden.«
    »Herr Jesus! Was, zum Teufel, willst du denn von mir? Erwartest du vielleicht, daß ich dir die Hände küsse wie all diese Idioten, in deren Leben du dich dauernd einmischst? Das kannst du dir in die Haare schmieren.«
    Sie wiederholte nachdenklich: »All diese Idioten ...« Und dann: »Olivia! Mein Kind!« Sie drehte sich auf ihrem Sitz herum, und ich spürte, daß sie mich anstarrte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was für ein Gesicht sie machte, ich hörte es an ihrem Ton und las es aus der Wahl ihrer Worte. »Mein Kind«, das hieß, daß ich ihr eine Gelegenheit gegeben hatte, plötzliches überströmendes Verständnis und das damit einhergehende Mitgefühl zur Schau zu stellen. Mit »mein Kind« brachte sie mich zum Zähneknirschen und riß sehr geschickt die Macht wieder an sich. Sie sagte: »Olivia, hast du das alles meinetwegen getan?«
    »Bild dir doch nichts ein.«
    »Wegen meiner Projekte, meiner Karriere, meiner ...« Sie berührte meine Schulter. »Glaubst du denn, ich liebte dich nicht? Darling, willst du auf diese Weise -«
    »Herrgott noch mal! Halt endlich die Klappe und fahr! Bringst du das wenigstens fertig? Schaffst du's vielleicht, einfach zu fahren, auf die Straße zu schauen und mich in Ruhe zu lassen?«
    Sie schwieg einen Moment, um meine Worte in der Enge des Wagens nachhallen zu lassen, dann sagte sie: »Natürlich, ja«, und ich begriff, daß ich ihr

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