07 - Asche zu Asche
erstaunt, als er sich endlich zur Trennung entschloß. Jean ist eine gute Seele, aber sie ist nie die richtige Frau für Ken gewesen.«
»Und Gabriella Patten?«
»Das hätte die Zeit gezeigt.«
Lynley betrachtete im Rückspiegel ihre dunklen Brillengläser. »Aber Sie kennen sie, nicht wahr? Sie kannten ihn. Was meinen Sie?«
»Meiner Meinung nach ist Gabriella wie Jean«, sagte sie leise, »allerdings mit weit mehr Geld und Designergarderobe. Sie ist - sie war Ken nicht ebenbürtig. Aber das ist ja nicht weiter merkwürdig, nicht wahr? Glauben Sie nicht auch, daß die meisten Männer, wenn sie ehrlich sind, gar keine Frau heiraten wollen, die ihnen ebenbürtig ist? Da werden sie zu stark gefordert.«
»Sie haben uns aber eben keinen Mann beschrieben, der mit mangelndem Selbstwertgefühl zu kämpfen hatte.«
»Nein, das ist richtig. Er hatte mit dem Hang des Menschen zu kämpfen, sich ans Vertraute zu halten und Vergangenes zu wiederholen.«
»Und wie sah das Vergangene aus?«
»Er heiratete aus rein körperlicher Anziehung und glaubte aufrichtig und naiv, Begierde und die leidenschaftliche Verliebtheit, die aus ihr resultiert, seien ewig andauernde Zustände.«
»Haben Sie Ihre Vorbehalte mit ihm besprochen?«
»Wir haben alles miteinander besprochen, Inspector. Ken war für mich wie ein Sohn, auch wenn die Boulevardblätter gelegentlich anderes unterstellt haben. Ja, er war mir ein wahrer Sohn, auch wenn ich ihn nicht geboren oder offiziell an Kindes Statt angenommen hatte.«
»Sie haben keine eigenen Kinder?«
Sie beobachtete einen überholenden Porsche und den nachfolgenden Motorradfahrer, unter dessen unförmigem Helm langes rotes Haar herausflatterte. »Ich habe eine Tochter«, sagte sie schließlich.
»Lebt sie in London?«
Wieder diese lange Pause, ehe sie antwortete. »Soviel ich weiß, ja. Wir hören seit Jahren nicht mehr voneinander.«
»Dann muß Fleming Ihnen doppelt wichtig gewesen sein«, warf Barbara ein.
»Weil er Olivias Platz einnahm, meinen Sie? Ach, ich wollte, es wäre so leicht, Sergeant. Man kann nicht ein Kind durch ein anderes ersetzen. Das ist nicht so wie bei einem Hund.«
»Aber kann nicht eine Beziehung ersetzt werden?«
»Es kann sich eine neue Beziehung entwickeln. Aber die frühere hinterläßt eine bleibende Narbe. Und auf einer Narbe gedeiht nichts.«
»Aber die neue Beziehung kann so wichtig werden wie die, auf die sie gefolgt ist«, bemerkte Lynley. »Würden Sie dem zustimmen?«
»Sie kann sogar wichtiger werden«, erwiderte Miriam Whitelaw.
Sie bogen auf den M 20 ab und fuhren in südöstlicher Richtung weiter. Lynley machte seine nächste Bemerkung erst, als sie ruhig auf der rechten Spur dahintrudelten.
»Sie haben eine Menge Grundbesitz«, sagte er. »Die Druckerei in Stepney, das Haus in Kensington, das Landhaus in Kent. Ich vermute, sie haben noch anderes Vermögen.«
»Ich bin keine reiche Frau.«
»Aber arm sind Sie auch nicht.«
»Was die Druckerei erwirtschaftet, wird wieder in die Firma investiert, Inspector.«
»Das macht sie zu einem wertvollen Vermögensbestandteil. Ist es ein Familienunternehmen?«
»Mein Schwiegervater hat die Druckerei gegründet. Mein Mann hat sie geerbt. Als mein Mann starb, habe ich die Leitung übernommen.«
»Und was geschieht nach Ihrem Tod? Haben Sie Vorsorge für die Zukunft getroffen?«
Barbara Havers, die ahnte, worauf Lynley hinauswollte, drehte sich wieder in ihrem Sitz herum, um Miriam Whitelaw beobachten zu können. »Was steht in Ihrem Testament, Mrs. Whitelaw? Wer bekommt was?«
Miriam Whitelaw nahm ihre Sonnenbrille ab und legte sie in ein Lederfutteral, das sie aus ihrer Handtasche nahm. Sie setzte ihre andere Brille wieder auf. »Ich habe mein Testament zugunsten von Ken gemacht.«
»Aha«, sagte Lynley nachdenklich. Er sah, wie Barbara in ihre Tasche griff und ihr Heft herausholte. »Wußte Fleming das?«
»Ich verstehe leider nicht, was Ihre Frage bezwecken soll.«
»Könnte er mit jemandem darüber gesprochen haben? Oder haben Sie selbst vielleicht mit jemandem darüber gesprochen?«
»Das spielt doch jetzt, wo er tot ist, wohl kaum noch eine Rolle.« Sie griff sich mit einer Hand an ihre Halskette, eine ähnliche Geste wie am vergangenen Abend. »Sie wollen sagen -«
»- daß es vielleicht jemanden gibt, der mit Ihrem Testament nicht einverstanden ist; der meinte, Fleming hätte« - Lynley suchte nach einem milden Ausdruck -»hätte mit außergewöhnlichen Mitteln gearbeitet, um sich
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