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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Mord ist Mord. Da muß man direkt an die Gurgel gehen.«
    Nicht zum erstenmal fragte sich Lynley, ob er für seinen Beruf überhaupt hartgesotten genug war. Eine Vernehmung nach dem Motto »ohne Rücksicht auf Verluste« war ihm ein Greuel. Jede andere Methode jedoch schien ihn einer Position gefährlich nahezurücken, die es erlaubte, ihm nachzusagen, statt Rache für die Toten übe er Verständnis für die Lebenden.
    Er lavierte sich durch den Verkehr rund um den Buckinghampalast, stand im Stau hinter einem Touristenbus, aus dem sich eine Gruppe blauhaariger Frauen in Polyesterhosen und soliden Schuhen auf den Bürgersteig ergoß, schlängelte sich zwischen den Taxis in Knightsbridge hindurch, fuhr ein paar Schleichwege, um einem Stau südlich der Kensington Gardens auszuweichen, und tauchte schließlich ins nachmittägliche Tohuwabohu in der Kensington High Street ein. Von hier waren es keine drei Minuten bis Staffordshire Terrace, wo vornehme Ruhe herrschte und vor Nummer 18 ein einsamer kleiner Junge auf einem Skateboard über die Straße sauste.
    Lynley half Miriam Whitelaw aus dem Wagen. Sie nahm seine dargebotene Hand, und die ihre war kühl und trocken. Ihre Finger schlossen sich fest um die seinen, und als er sie die Treppe hinaufführte, stahl sich ihre Hand auf seinen Arm. Sie roch schwach nach Lavendel, Puder und Staub.
    An der Tür versuchte sie einige Male zitternd, den Schlüssel ins Schloß zu schieben, ehe es ihr gelang. Als sie die Tür geöffnet hatte, wandte sie sich ihm zu.
    Sie sah so schlecht aus, daß Lynley sagte: »Soll ich nicht lieber Ihren Arzt anrufen?«
    »Nein, nein, es geht schon«, erwiderte sie. »Ich muß versuchen zu schlafen. Letzte Nacht konnte ich nicht. Vielleicht heute ...«
    »Wahrscheinlich könnte Ihr Arzt Ihnen etwas verschreiben.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dagegen gibt es keine Medizin.«
    »Soll ich Ihrer Tochter etwas von Ihnen sagen? Ich fahre von hier aus nach Little Venice.«
    Ihr Blick glitt über seine Schulter hinweg in die Ferne, während sie nachzusinnen schien. Ihre Mundwinkel senkten sich.
    »Richten Sie ihr aus, daß ich immer ihre Mutter sein werde. Sagen Sie ihr, daß Ken daran nichts än- äh, geändert hat.«
    Lynley nickte. Er wartete einen Moment, für den Fall, daß sie noch etwas sagen wollte. Als sie das nicht tat, stieg er die Treppe hinunter. Er hatte schon die Wagentür geöffnet, als er ihre Stimme hörte.
    »Inspector Lynley?« Er hob den Kopf. Sie war an die Kante der obersten Stufe getreten. Mit einer Hand hielt sie das schmiedeeiserne Treppengeländer umfaßt, das von einer Jasminranke umwunden war. »Ich weiß, daß Sie sich bemühen, Ihre Pflicht zu tun«, sagte sie. »Ich danke Ihnen dafür.«
    Er wartete, bis sie ins Haus gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann fuhr er wieder los, nach Norden wie am Abend zuvor, unter Platanen, die Campden Hill Road hinauf. Von Kensington nach Little Venice war es lange nicht so weit wie bis zu Hugh Pattens Haus in Hampstead. Doch die Fahrt nach Hampstead hatten sie nach elf Uhr abends unternommen, als kaum noch Verkehr gewesen war. Jetzt hingegen waren die Straßen voll. Er nutzte die Zeit, die er brauchte, um durch Bayswater zu kriechen, für einen Anruf bei Helen, aber er erreichte nur den Anrufbeantworter, der ihm mit ihrer konservierten Stimme mitteilte, sie sei ausgegangen, er könne jedoch gern eine Nachricht hinterlassen. Er sagte: »Verdammt«, während er auf den infernalischen Pfeifton wartete. Er haßte diese Apparate. Sie waren nur ein weiteres Indiz des sozialen Verfalls, der diese letzten Jahre des Jahrhunderts kennzeichnete. Unpersönlich und effizient wie sie waren, erinnerten sie ihn nur daran, wie einfach es war, einen Menschen durch ein elektronisches Gerät zu ersetzen. Wo früher einmal eine Carline Shepherd regiert hatte, die Helens Anrufe entgegengenommen, ihre Mahlzeiten gekocht und ihr Leben in Ordnung gehalten hatte, gab es jetzt Tonband, Heimservice vom Chinesen und eine Putzfrau aus dem County Clare, die einmal in der Woche saubermachte.
    »Hallo, Darling«, sagte er, als er endlich den Pfeifton hörte. Und dann dachte er: Und weiter? Hast du den Ring gefunden? Gefällt dir der Stein? Heiratest du mich? Heute? Heute abend? Ach, verdammt. Er haßte sie wie die Pest, diese Anrufbeantworter.
    »Ich habe leider bis zum Abend zu tun. Wollen wir zusammen essen? So gegen acht?« Er hielt inne wie ein Idiot, als erwarte er eine Antwort. »Hast du einen

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