07 - Old Surehand I
Sätzen herauf, gerade auf mich zu. Ich war nicht weniger entsetzt als Ben Needler; das Gewehr entsank meiner Hand; Flucht, nur Flucht! Ich sprang von Stein zu Stein an der Felsenlehne hin, das Ungetüm mir nach. Da gähnte vor mir in der Steinwand ein großes Loch, und ich kroch hinein, so schnell, wie ich noch nie im Leben in einem Loch verschwunden bin. Die Öffnung verdunkelte sich, denn das Untier steckte den Kopf herein, so weit ihm dies bei der Breite des Geweihs möglich war. Es schnaufte wie ein Teufel, und ich fühlte seinen heißen Atem im Gesicht. Aber die Angst des gehetzten Geschöpfs war größer noch als sein Zorn; es zog den Kopf zurück und wendete sich zur weitern Flucht. Dabei bot es dem gegenübersitzenden und kaltblütig darauf wartenden Häuptling seine vordere Seite. Er zielte kurz, drückte ab und – der Elk brach im Feuer zusammen.
Im Nu stieg To-ok-uh drüben herab und kam diesseits heraufgesprungen. Während ich sehr vorsichtig den Kopf aus dem Loch steckte, betrachtete er das gewaltige Tier und forderte mich dann lächelnd auf:
‚Mein Bruder komme heraus! Dieses Peere (Elen, Elk in der Sprache der Schoschonen) ist von deiner Kugel gefallen und also dein Eigentum.‘
‚Von meiner Kugel?‘ fragte ich erstaunt, indem ich herauskroch.
‚Ja‘, nickte er mir listig zu. ‚Du bist Atpui, das gute Herz, und hast uns retten wollen; dafür sollst du Ruhm bei den Deinen ernten. Die Krieger der Panashts haben ihr Wampum abgegeben und sind vor euch in das Tal der Elks gekommen, wo sie ihre Waffen verborgen hatten. Ihr werdet dort kein Wild gefunden haben, als das junge Kind des Elks, welches ich auf dem Rücken eures Maultiers sah. Du warst so aufrichtig, mir zu sagen, daß du noch daneben schießest, doch mußt du das verschweigen, denn ich wünsche, daß deine Gefährten dich achten, wie ich dich liebe. Ich setzte mich auf den Felsen, um mir dieses selten starke Tier zutreiben zu lassen; da sah ich dich und beschloß sofort, es dir zu schenken. Es sei von deiner Kugel getroffen, damit du Ruhm habest, bis sie wirklich trifft. Dein Bruder hat mich nicht gesehen, und ich gehe, damit er mich nicht noch erblickt. Mein Auge wünscht, dich wiederzusehen. Ich habe gesprochen. Howgh!‘
Er drückte mir die Hand und eilte fort, um im jenseitigen Tal zu verschwinden.
Das war die Dankbarkeit eines sogenannten wilden Mannes. Er überließ mir den Ruhm, der ihm gebührte. Sollte ich diese Gabe von mir weisen? Nein, ich war zu schwach, weil zu jung dazu. Old Wabble hatte mich verhöhnt; gewiß, es war ein Fehler von mir, eine Lüge, mich mit fremden Federn zu schmücken, aber der alte Westmann sollte mich, das Greenhorn, beneiden!
Ich stieg in das diesseitige Tal hinab. Weit, weit entfernt von dem Felsensattel stand Ben Needler mit dem unbeschädigten Maultier. Ich winkte ihn herbei und führte ihn hinauf, wo der Elk lag. Mein Gewehr hatte ich natürlich wieder aufgenommen; der Indianer war von ihm nicht gesehen worden; es wußte überhaupt niemand, daß ich diesen kannte. Ben mußte also überzeugt sein, daß ich es sei, der das Tier erlegt hatte. Man kann sich sein Erstaunen, seine Verwunderung und – seinen Neid denken!
Er tat mir leid. Darum und, wie ich aufrichtig gestehe, zur Erleichterung meines Gewissens, machte ich ihm den Vorschlag, Old Wabble zu sagen, er habe das Schmaltier, das ‚junge Kind des Elks‘, erlegt. Darüber war er so glücklich, daß er mich umarmte. Ich mußte als Wache gegen die Raubtiere bei meiner Beute bleiben; Needler brach mit dem Maultier nach dem Moor auf, um Old Wabble und Litton zu holen; er brachte sie erst am späten Nachmittag. Die beiden hatten heute nicht das Haar eines Elks gesehen. Der Alte stand verstummt vor meiner Beute. Endlich gestand er, noch selten ein so mächtiges Exemplar gesehen zu haben. Der Neid zuckte durch seine schlotterige Gestalt, daß die Glieder nur so durcheinander ‚wabbelten‘; dann maß er mich mit einem fast drohenden Blick aus den halbgeschlossenen Augen und sagte:
‚Well, ich weiß, woran ich bin, Sir. Als Ihr am Tag vor ehegestern viermal die Natur durchlöchertet, habt Ihr Euch mit mir einen Scherz gemacht; th'is clear; aber ich hoffe, daß so etwas nicht wieder geschieht, wenn wir Freunde bleiben wollen!‘
Nun, wir sind Freunde geworden und geblieben, und haben selber manchen guten Schuß getan. Es war, als habe das Geschenk des Häuptlings mir mit einem Male einen scharfen Blick und eine sichere Hand gebracht. Gleich
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