07 - Old Surehand I
schießen!“
Ich hatte keine Lust, ihn mitzunehmen, seiner bekannten Voreiligkeit wegen, aber er gab so lange gute Worte, bis ich endlich beistimmte:
„Nun wohl, so reitet mit! Aber wenn ein einziger Fehler vorkommt, sind wir geschiedene Leute. Was werdet Ihr inzwischen mit Euren gewaltigen mexikanischen Sporen machen?“
„Mit meinen Sporen? Soll ich die vielleicht nicht an den Füßen behalten, Sir?“
„Nein.“
„Warum?“
„Weil wir auch indianische Fußeindrücke machen müssen, um nicht den Argwohn der Comanchen zu erregen! Wir werden also unsere Stiefel mit Mokassins vertauschen.“
„Woher welche nehmen?“
„Von den Gefangenen; die werden schon die Güte haben, uns auszuhelfen.“
„Hm! Wird sehr schwerfallen! Ja, Ihr mit Euern Parkettfüßchen findet jedenfalls passende; aber seht da meine Ständer an!“
Er hatte allerdings Füße, die selbst für seine sehr hoch aufgeschossene Gestalt zu lang waren, und die riesige Bekleidung derselben gehörte zu der Art, von welcher man zu sagen pflegt, ‚mit drei Schritten über die Rheinbrücke in Mainz‘.
Es war Zeit zum Aufbruch; ich ließ also die Comanchen aufsitzen und mit Riemen an die Pferde festbinden; sie ließen das geschehen, denn sie sahen ein, daß eine Weigerung die größte Dummheit gewesen wäre. Ihren jungen Anführer aber wollte ich nicht in derselben Weise behandeln; darum sagte ich zu ihm:
„Ich habe meinem roten Bruder Schiba-bigk mein Herz geschenkt, und es würde mir weh tun, ihn ebenso fesseln zu müssen wie seine Leute. Wenn ich ihm erlaube, frei mit uns zu reiten, wird er da zu entfliehen versuchen?“
„Ich bin in deiner Hand“, antwortete er.
„Das ist keine Antwort, wie ich sie haben will.“
„Ist es nicht genug, wenn ich sage, daß ich in deiner Hand bin?“
„Nein. Daß du mein Gefangener bist, das weiß ich, ohne daß du es mit Worten zuzugeben brauchst. Ich will aber wissen, ob du, wenn ich dich nicht binden lasse, einen Versuch machen wirst, dich der Gefangenschaft zu entziehen.“
„Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten!“
„Ich weiß es.“
„Ihr werdet die Krieger der Comanchen alle ergreifen; aber wenn es mir gelänge, zu entkommen und sie zu warnen, würde kein einziger von ihnen in eure Gewalt geraten.“
„Das ist deine Ansicht, die meinige aber nicht.“
„Es ist meine Pflicht, die Flucht zu versuchen.“
„Diese Worte überzeugen mich, daß du nicht nur ein wackerer Krieger, sondern auch ein aufrichtiger, ehrlicher Mann bist. Dennoch werde ich dich nicht mit Riemen quälen.“
„Uff!“ rief er erstaunt aus.
„Ja; ich werde dich nicht binden lassen.“
„Da entfliehe ich!“
„Pshaw! Selbst wenn wir zwei allein wären, würdest du nicht entwischen; du siehst, wieviel Reiter ich bei mir habe. Übrigens werde ich ein Mittel anwenden, welches dich fester als alle Fesseln bei uns halten wird.“
„Welches.“
„Ich nehme dir die Medizin ab.“
„Uff, uff!“ rief er.
„Ja, das tu ich. Beim ersten Versuch, zu entfliehen, werden alle Gewehre auf dich gerichtet sein, und würdest du, was aber gar nicht möglich ist, von keiner Kugel getroffen, so hättest du im nächsten Augenblick über zweihundert Verfolger hinter dir. Und sollte dich keiner von ihnen fangen, was wieder gar nicht zu denken ist, so würde ich deine Medizin vernichten und mit ihr deine Seele.“
Er senkte den Kopf und ließ ein ergebungsvolles „Uff“ hören; er tat auch keinen Griff, es zu verhindern, als ich ihm die Medizin abnahm und an meinen Hals hing. Er gab sich die allergrößte Mühe, seine Gedanken zu verbergen, konnte mich aber nicht täuschen. Es hatte, allerdings nur für einen ganz kurzen Moment, ein Licht in seinem Auge aufgeblitzt, welches mir sagte, daß er alles wagen und selbst den Verlust der Medizin daransetzen werde, die Freiheit zu erlangen. Ich hatte also wohl Grund, ihn fesseln zu lassen, tat dies aber nicht, denn ich wollte wissen, weshalb er, entgegengesetzt allen indianischen Anschauungen, selbst auf die Medizin verzichtete, um frei werden zu können. Sollten meine einstigen Lehren doch so tief in ihm gehaftet haben, daß sie imstande gewesen waren, seine heidnischen Ansichten über die ‚ewigen Jagdgründe‘ ins Wanken zu bringen? Denn wenn die ‚Medizin‘ ihre Macht über ihn verloren hatte, so konnte er unmöglich mehr an eine derartige Fortdauer nach dem Tod glauben; das stand fest. Also ließ ich ihn, um ihn in dieser Beziehung auf die Probe zu stellen, nicht
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