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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einer großen, reichen Ernte vermehren würde, denn dein Herz war ein fruchtbarer Boden und verhieß tausendfältige Frucht.“
    „Uff, uff, uff!“ wiederholte er, abermals ganz leise und gepreßt, als ob er sich Mühe gebe, die Tränen zu unterdrücken.
    „Was ist aus diesem Maiskorn geworden? Es hat keinen Tau und keine Sonne gefunden und ist elend vertrocknet und verdorrt.“
    „Aga, aga, nein, nein!“ versicherte er, endlich ein Wort sprechend, wobei ihm aber das Gewissen oder die Scham das Gesicht von mir wieder wegdrehte.
    „Uweh, uweh, ja, ja“, behauptete ich; „es ist so, wie ich sage. Was ist aus meinem jungen Freund und Bruder geworden? Ein undankbarer Gegner, ein Feind, der mich verhöhnt und mir nach dem Leben trachtet. Das ist traurig, sehr traurig bei einem jungen Krieger, der nur das strenge Gesetz der Prärie kennt; noch viel, viel trauriger aber ist es von einem Jüngling, der einen Christen liebgehabt und durch ihn den großen, guten Manitou kennengelernt hat. Als du vorhin Old Shatterhand beschimpftest und verhöhntest, konntest du mich nicht beleidigen; aber es hat meinem Herzen sehr weh getan, daß du meine Lehren vergessen hast und geworden bist wie einer, dem ich meine Hand nie wieder reichen kann. Wer ist schuld daran?“
    „Nale-Masiuv und die andern Häuptlinge“, antwortete er, sich mir wieder zuwendend. „Ich erzählte ihnen alles, was ich von dir gehört hatte; da lachten sie über mich und sagten, Old Shatterhand habe den Verstand verloren und sei ein priest (Priester, Nebenbedeutung: Pfaffe) geworden.“
    „Mein junger Bruder, ich wollte, ich wäre ein priest und könnte der deinige sein! Du hast dich also Old Shatterhands geschämt?“
    „Uweh, uweh, ja, ja“, nickte er.
    „So sollte ich mich jetzt nun deiner schämen; ich tu es aber nicht, sondern traure um dich. Eure Häuptlinge und Medizinmänner und diejenigen, welche nach dem Willen des großen, guten Manitou handeln, sind an ihren Taten zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Was hättet ihr mit mir getan, wenn ich in eure Hände gefallen wäre?“
    „Wir hätten dich an den Marterpfahl gebunden.“
    „Und doch habe ich euch nichts Übles zugefügt. Ihr aber habt mir nach dem Leben getrachtet. Was denkst du wohl, was nun mit euch und dir geschehen wird, da wir euch ergriffen haben?“
    Er bäumte sich in den Fesseln halb empor, sah mir starr in das Gesicht und fragte hastig:
    „Sag du es selbst, wie ihr euch rächen werdet!“
    „Rächen? Ein Christ rächt sich nie in seinem Leben, denn er weiß, daß der große und gerechte Manitou alle Taten der Menschen so vergelten wird, wie sie es verdienen. Du wirst einige Tage unser Gefangener sein und dann die Freiheit zurückerhalten.“
    „Ihr werdet mich nicht töten, nicht vorher martern?“
    „Nein.“
    „Mich peinigen und verwunden?“
    „Nein. Wir verzeihen dir.“
    Er sank unter einem langgedehnten Seufzer wieder zurück, fragte aber hierauf schnell und mit blitzendem Auge:
    „Glaubt Old Shatterhand etwa, daß ich aus Angst vor den Schmerzen so gefragt habe?“
    „Nein. Ich weiß, daß du die Schmerzen verachtest, die man deinem Körper zufügen würde. Es waren Schmerzen der Seele, welche dir geboten, diese Frage auszusprechen. Ist es so oder nicht?“
    „Old Shatterhand hat recht.“
    „Und noch eins will ich meinem jungen Freund sagen; ich weiß freilich nicht, ob du mich verstehen wirst. Du glaubtest vorhin, mich recht klug ausgefragt zu haben; aber ich wußte bereits alles, denn ich habe die Naiini am blauen Wasser und die Roten Nale-Masiuvs belauscht, und in den Antworten, die ich dir erteilte, waren, ohne daß du es ahntest, Fragen verborgen, die du mir alle ohne dein Wissen beantwortet hast. Nicht du hast mich, sondern ich habe dich ausgefragt. Du warst so stolz und deiner Sache sicher, und doch hast du mir verraten, daß Vupa Umugi morgen abend und Nale-Masiuv einen halben Tag später nach dem Suksma-lestavi kommen wird. Wie ist das zu erklären?“
    „Ich weiß es nicht; ich wollte nichts verraten.“
    „Aber ich weiß es. Du hattest dich zwar Old Shatterhands und seiner Lehre geschämt, aber beide wohnten, ohne daß du es dachtest, noch in deinem Herzen. Als ich dann vor dir stand, in deinen Augen als Besiegter und doch eigentlich als Sieger, empörte sich dein Herz gegen dich selbst und hieß dich Dinge sagen, die du verschweigen solltest. Hast du das verstanden?“
    „Nicht ganz, aber ich werde darüber nachdenken. Was wird mit mir

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