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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollte mich an der Flucht verhindern und hat mir doch die Gelegenheit dazu gegeben!“
    „Das begreifst du nicht?“
    „Wer kann das begreifen!“
    „Jeder Mensch, welcher gelernt hat nachzudenken. Grad weil ich die Flucht verhindern wollte, habe ich dir die Gelegenheit dazu gegeben. Wärst du in einem Augenblick geflohen, an welchem ich nicht darauf vorbereitet war, so hättest du, weil es dunkel war, trotz der Schnelligkeit meines Pferds entkommen können; ich mußte also vorbereitet sein, und das konnte nur dadurch geschehen, daß ich selbst den geeigneten Augenblick herbeiführte; dann war ich um so schneller hinter dir her.“
    „Uff, uff!“
    „Siehst du es jetzt ein?“
    „Ich sehe ein, daß es wahr ist, was alle roten und weißen Krieger wissen: Old Shatterhand ist nicht zu überlisten, sondern er überlistet sie alle.“
    „Hm, dich heut' zu überlisten, dazu gehörte gar nicht viel. Du bist ein Häuptling, aber doch noch fast ein Knabe; wenn du das wenigstens mir gegenüber beherzigen willst, so kann es dir nur zum Vorteil sein. Sei froh, daß mein Pferd schneller war als das deinige und ich infolgedessen nur den Lasso angewendet habe! Hätte ich dich nicht so rasch einholen können, so wäre ich gezwungen gewesen, dich zu erschießen.“
    „Schiba-bigk hat keine Angst vor dem Tod!“
    „Das weiß ich; aber deine Flucht hatte doch nur den Zweck, die Comanchen zu benachrichtigen. Hättest du das tun können, wenn du erschossen worden wärst?“
    „Uff, nein!“
    „Du mußt also einsehen, daß du auch in dieser Beziehung unüberlegt gehandelt hast. Und wie konntest du vergessen, daß ich deine Medizin besitze!“
    „Ich vergaß es nicht.“
    „Und wolltest dennoch fort? Sonderbar! Mochte dir die Flucht gelingen oder nicht, so wäre deine Seele für immer verloren gewesen.“
    „Nein!“
    „Doch! Wer seine Medizin verliert, der kann sich eine andere suchen und dadurch seine Seele retten. Wer sich aber seine Medizin abnehmen läßt und sie wird vernichtet, dessen Seele ist auch vernichtet und wird nie in die ewigen Jagdgründe gelangen.“
    „Old Shatterhand sagt da etwas, was er selbst nicht glaubt!“
    Ich sah trotz des schwachen Scheins der in der Stube brennenden, selbstgefertigten Talgkerze, daß sein Gesicht einen selbstbewußten, ja, ich möchte sagen, einen überlegenen Ausdruck annahm. Über das, was er jetzt dachte, hätte ein Deutscher sich wahrscheinlich ausgedrückt: Jetzt habe ich Old Shatterhand im Sack! Ich antwortete:
    „Ob ich es glaube oder nicht, das ist Nebensache; aber ihr glaubt es. Wenn ein roter Krieger einem Feind die Medizin abnimmt und sie aufbewahrt, so muß die Seele desselben ihn in den ewigen Jagdgründen bedienen, außer der große Geist offenbart ihm den Weg, sich eine neue Medizin zu erwerben. Wird aber die Medizin nicht aufbewahrt, sondern vernichtet, so ist mit ihr die Seele vernichtet für alle Ewigkeit. Das ist doch euer Glaube!“
    „Aber nicht der meinige!“
    „Nicht?“ fragte ich scheinbar überrascht.
    „Nein. Auch ich habe es geglaubt, aber nur so lange, bis mein großer Bruder Old Shatterhand mir von dem großen Manitou erzählte, der alle Menschen erschaffen hat, der allen gleiche Liebe gibt und zu dem alle Seelen zurückkehren werden. Kein Mensch kann einem andern seine Seele nehmen. Es wird nach dem Tod keine Herrscher und keine Diener, weder Sieger noch Besiegte geben. Vor dem Stuhl des großen, guten Manitou werden alle Seelen gleich sein; es wird ewige Liebe und ewiger Friede herrschen und weder Kampf noch Jagd und Blutvergießen geben. Wo sollen da die Jagdgründe liegen, von denen unsere Medizinmänner sprechen?“
    Er hatte das in einem Eifer, der sich von Wort zu Wort steigerte, gesagt. Ich freute mich aufs herzlichste darüber. Das war es ja, was ich hatte erfahren wollen! Der Same, den ich damals in sein Herz gesät hatte, war also doch aufgegangen und hatte unter der starren Rinde feste Wurzeln geschlagen.
    „Ja, wenn du so denkst, dann hat ja keine Medizin mehr Wert für dich“, sagte ich, scheinbar absichtslos.
    „Sie ist das Zeichen, daß ich Krieger bin, weiter nichts.“
    „Dann hat es auch keinen Zweck, daß ich sie behalte. Hier hast du sie zurück.“
    Ich nahm sie von meinem Hals und gab sie ihm. Er hing sie sich um und antwortete:
    „Sie hat mit meiner Seele nichts zu tun, aber sie ist das Zeichen des Kriegerrangs, und darum danke ich dir, daß du sie mir wiedergibst!“
    „Hast du schon mit andern roten Kriegern

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