Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
kennt, und darum kann ich behaupten, daß es auch einem roten Krieger sehr wohl möglich ist, seinem Feind zu verzeihen und ihm Wohltat und Liebe zu erweisen. Ich wollte, mein junger Bruder könnte sein wie Winnetou!“
    Er hielt die gefesselten Hände an die Stirn, schwieg eine ganze, ganze Weile und bat mich dann:
    „Old Shatterhand mag gehen und mich allein lassen! Ich will mit mir selbst sprechen; ich will mich fragen, ob ich so sein kann wie Winnetou, der große Häuptling der Apachen.“
    Ich folgte seiner Aufforderung und ging, wohl wissend, daß ich ihn in innerer Pein zurückließ. Warum hatte ich ihm nur Winnetou, einen Menschen, einen Indianer, zur Nachahmung genannt? Gab es nicht höhere Vorbilder? Warum hatte ich nicht das höchste, das heiligste erwähnt? Weil es ihm in dieser Kürze unverständlich, unbegreiflich gewesen wäre; war ihm doch schon Winnetou zuviel, obgleich er diesen vor sich sah und hundert Züge des Edelmuts und der Liebe aus seinem Leben kannte! Man muß auch mit der Darreichung geistiger Nahrung vorsichtig sein. Jedenfalls hatte ich das verschwundene ‚Maiskorn‘ wieder aus der unfruchtbaren Tiefe emporgeholt, und die Folge zeigte, daß es von heute an zu keimen begann.
    Ich sah Winnetou mit Entschar-Ko und den Weißen beratend beisammensitzen und ging zu ihnen. Dabei bemerkte ich wohl, daß Winnetou sich schweigend dabei verhielt oder verhalten hatte, denn wenn ich mich bei ihm befand, war es nicht seine Art und Weise, andern Leuten vor mir seine Ansicht darzulegen.
    „Gut, daß Ihr kommt, Mr. Shatterhand“, sagte Old Wabble. „Wir müssen doch besprechen, was geschehen soll.“
    „Habt ihr es nicht besprochen, Sir?“ fragte ich.
    „Wir haben freilich hin und her geredet, doch will es uns nicht gelingen, einig zu werden.“
    „Das ist doch seltsam! Nach allem, was wir jetzt wissen, kann es doch gar keinen Zweifel darüber geben, was wir tun müssen.“
    „So? Sonderbar, daß es bei Euch nie einen Zweifel gibt. Ob aber Winnetou mit Euch einverstanden ist?“
    Da erklärte der Apache in seiner bekannten Weise:
    „Der Plan meines Bruders Shatterhand ist gut. Wir werden ihn ausführen.“
    „Schön! Aber erst müssen wir ihn hören, denn was man nicht weiß, das kann man auch nicht wissen; th'is clear! Also sprecht, Mr. Shatterhand! Wann soll von hier aufgebrochen werden?“
    „Sogleich“, antwortete ich.
    „Wohin? Nach der Oase?“
    „Ja, aber nicht alle; wir werden uns teilen.“
    „Ah! Wieso?“
    „Es gilt, die bereits eingesetzten Stangen, welche den richtigen Weg nach der Oase verraten, schleunigst zu entfernen und in der Richtung nach der Gegend in den Sand zu stecken, von welcher Bloody-Fox sprach.“
    „Wer soll das tun? Ich möchte mit.“
    „Das geht nicht an; es darf das natürlich nur von Indianern geschehen.“
    „Warum? Ich sehe keinen Grund dazu.“
    „Das ist auch gar nicht nötig, Sir, wenn nur ich ihn kenne. Diejenigen, welche diese Aufgabe lösen, werden natürlich zahlreiche Spuren zurücklassen, und das müssen Indianerspuren sein, damit Vupa Umugi sie für die Spuren seiner Comanchen hält, wenn er kommt.“
    „Ah, brillant! Das leuchtet mir ein.“
    „Es dürfen nicht weniger und nicht mehr Leute sein, als wir hier Comanchen festgenommen haben. Darum wird Winnetou mit fünfzig Apachen und den hier noch vorrätigen Stangen sofort von hier nach dem Gutesnontin-khai aufbrechen, um die Arbeit auszuführen.“
    Kaum hatte ich dies gesagt, so stand der Häuptling auch schon auf und fragte mich:
    „Hat mein Bruder für mich noch etwas hinzuzufügen? Ich will fort.“
    „Nur eine Bemerkung: Da du das Kaktusfeld nicht kennst, nach welchem wir die Comanchen locken wollen, so wirst du die Stangen in südöstlicher Richtung aufstellen müssen. Ich sende dir dann Bloody-Fox zu, der dich genauer führen wird. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe.“
    Eine längere, eingehendere Besprechung war zwischen uns beiden nicht nötig. Schon fünf Minuten später galoppierte er mit fünfzig Apachen aus dem Tal hinaus, den ‚Hundert Bäumen‘ zu.
    „Das ist ein Kerl!“ bewunderte ihn der alte Wabble. „Der bedarf keiner stundenlangen Instruktion, um zu wissen, wie er etwas anzufassen hat! Welche Anweisung werdet Ihr denn uns erteilen, Mr. Shatterhand?“
    „Gar keine. Wir reiten direkt nach der Oase.“
    „Allein?“
    „Mr. Surehand wird mich begleiten.“
    „Könnte ich denn nicht mit? Ich verspreche Euch, ganz gewiß keinen Bock oder Pudel zu

Weitere Kostenlose Bücher