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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war der berühmte king of the cowboys! Meine Drohung war mir ganz absichtslos über die Lippen geflossen; ich hatte grad so und nicht anders sprechen müssen. War ich das Werkzeug eines höheren Willens? Als später diese Drohung fast wörtlich in Erfüllung ging, war es mir, als ob ich es sei, der durch die Prophezeiung den schrecklichen Tod des Alten heraufbeschworen habe, und es dauerte lange, ehe die Vorwürfe, die ich mir darüber machte, zum Schweigen kamen.
    Old Surehand ritt schweigend neben mir. Er hatte alles gehört und schien darüber nachzudenken. Erst nach längerer Zeit unterbrach er das Schweigen, indem er mir die Frage vorlegte:
    „Darf ich Euch stören, Sir? Ich sehe, daß Ihr in Euch versunken seid.“
    „Es ist mir ganz lieb, aus diesen Gedanken geweckt zu werden.“
    „Ihr wißt, daß ich viel von Euch habe sprechen hören; dabei wurde stets auch das erwähnt, daß Ihr fromm seid.“
    „Hat man unter fromm dabei verstanden, daß ich das, was ich denke und glaube, stets im Mund führe?“
    „Nein, es war vielmehr das Gegenteil der Fall.“
    „Hat man sich lustig über diese sogenannte Frömmigkeit gemacht?“
    „Nie. Ihr pflegt ja Eure religiösen Ansichten mehr in Taten als in Worten auszusprechen, und das imponiert. Ich habe Euch dann auch genau so gefunden. Ihr habt von Religion kein Wort zu mir gesprochen.“
    „Ist auch nicht nötig!“
    „Vielleicht doch!“
    „Wieso?“
    „Weil – – – hm! Sagt einmal, Sir, Euer Leben ist wohl, ich meine nämlich Euer inneres, stets ein sehr ruhiges und gleichmäßig verlaufendes gewesen? Ihr habt als Kind gehört, daß es einen Gott gebe, und an ihn geglaubt; dieser Glaube ist nie angetastet worden und lebt nun als schöner Kinderglaube noch in Eurem Herzen? Das denke ich und werde mich nicht irren.“
    „Ihr irrt.“
    „Wirklich?“
    „Ja, Ihr irrt. Es gibt keinen Sieg ohne vorhergehenden Kampf. Mein inneres Leben ist fast nicht weniger ereignisvoll gewesen wie mein äußeres. Der Strom auch des Seelenlebens fließt nicht immer gleichmäßig zwischen seinen Ufern; er hat seine Wellen und Wogen, seine Klippen und Versandungen, seine Wassermängel und Überschwemmungen.“
    „Also Ihr habt auch gekämpft?“
    „Oft bis zur Anstrengung der letzten Kraft! Aber es ist mir mit diesem Kampf stets heiliger Ernst gewesen. Es gibt Millionen Menschen, welche durch das Leben gehen, ohne nach Klarheit zu ringen; ob Gott oder nicht, das ist ihnen gleich; es ist das ein Leichtsinn, über den man weinen könnte. Mir aber ist der höchste, ja der einzige Zweck meines Daseins der gewesen, zur Erkenntnis zu gelangen. Ja, ich habe das unendliche Glück gehabt, gläubige Eltern zu besitzen. Ich war der Liebling meiner Großmutter, welche im Alter von sechsundneunzig Jahren starb; sie lebte in Gott, leitete mich zu ihm und hielt mich bei ihm fest. Das war ein wunderbarer, seliger Kinderglaube, voll hingebender Liebe und Vertrauen. Ich habe als Knabe des Abends und des Morgens und auch noch viel außerdem dem lieben Gott alle meine kleinen Wünsche und Bitten vorgetragen. Ich erinnere mich, daß einst ein Schwesterchen schlimmes Zahnweh hatte; kein Mittel half; da tröstete ich sie: ‚Paulinchen, ich gehe jetzt hinaus in die Schlafstube und sag's dem lieben Gott; paß auf, da hört's gleich auf!‘ Werdet Ihr mich auslachen, Sir, wenn ich Euch versichere, daß es wirklich aufgehört hat?“
    „Fällt mir nicht ein! Wehe dem Menschen, der über so etwas zu lachen vermag!“
    „Ich könnte Euch viel erzählen, von höchst sonderbaren Wünschen, die ich da dem lieben Gott vorgetragen habe; er hat seine Engel, und wenn es Menschen sind, auch solche Bitten zu erfüllen. Später als Schüler begann ich nachzudenken. Ich bekam ungläubige Lehrer, welche ihre Verneinung in einen anziehenden Nimbus zu hüllen wußten. Ich studierte hebräisch, aramäisch, griechisch, um die Heilige Schrift im Urtext zu lesen. Der Kinderglaube verschwand; der Zweifel begann, sobald die gelehrte Wortklauberei anfing; der Unglaube wuchs von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht, denn ich opferte meine Nächte dem frevelnden Beginnen, die Wahrheit durch meine eigene Klugheit zu erfassen. Welche Torheit! Aber Gott war barmherzig gegen den Tor und führte ihn auch auf dem Weg des Studiums zu der Erkenntnis, daß jener fromme Kinderglaube der allein richtige sei. Meine nachherigen Reisen brachten mich mit den Bekennern aller möglichen Anbetungsformen in Berührung. Ich besaß nicht jenes

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