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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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machte!
    „So glaubt Ihr nicht an Gott?“ fragte ich mit beinahe bebender Stimme.
    „Nein.“
    „An den Heiland?“
    „Nein.“
    „An ein Leben nach dem Tod?“
    „Nein.“
    „An eine Seligkeit, eine Verdammnis, welche ewig währt?“
    „Fällt mir nicht ein! Was kann mir so ein Glaube nützen?“
    Sollte ich über diese Worte traurig sein oder empört? Ich wußte es nicht; aber es kam etwas über mich, was mich zwang, ihm von meinem Pferd hinüber den Arm auf die Schulter zu legen und zu sagen:
    „Hört, Mr. Cutter, ich habe Euch eine Teilnahme geschenkt, wie ich sie nicht jedem schenke; jetzt aber graut mir vor Euch! Dennoch will ich zu Euch halten und mich bemühen, Euch zu beweisen, daß Ihr Euch auf einem schrecklichen Irrweg befindet.“
    „Was soll das heißen? Ihr wollt mich belehren?“
    „Ja.“
    „In dem, was Ihr Religion nennt?“
    „Ja.“
    „Danke, danke sehr! Das müßte ich mir verbitten! Schon der Versuch würde mich beleidigen. Ihr habt vorhin gehört, was und wie ich denke. Mit Worten und Lehren darf mir keiner kommen; da bin ich zu alt und zu klug dazu. Ich habe Euch ein Fakt nach dem andern genannt. Redensarten gelten bei mir nichts, und wenn sie noch so schön klingen. Bei mir gilt das Fakt als Beweis, sonst nichts.“
    „Habt Ihr Religionsunterricht genossen?“
    „Nein.“
    „So könnt Ihr auch kein Urteil über den –“
    „Schweigt, oder bringt ein Fakt!“ unterbrach er mich.
    „Hört mich nur einige Minuten an, Mr. Cutter! Ich bin überzeugt, daß Ihr meine Worte – – –“
    „Keine Worte! Ein Fakt will ich haben!“ fiel er mir wieder in die Rede.
    „Ich werde ja gar nicht viele Worte machen, ich will nur eine Frage aussprechen, welche – – –“
    „Unsinn! Eine Frage ist kein Fakt!“
    Da lief mir denn doch die Galle über; ich hielt mein Pferd mit einem Ruck an, fiel ihm in die Zügel, daß er auch halten mußte, und ließ meinen Zorn, den ich nicht beherrschen konnte, reden:
    „Fakt, Fakt und wieder Fakt! Ihr habt vorhin allerdings ein Fakt nach dem andern gebracht und scheint stolz auf die falsche Logik zu sein, mit welcher Ihr sie verbindet. Ihr sagt, daß Ihr weder Gott noch Glauben braucht; ich aber sage Euch und bitte Euch, meine Worte wohl zu merken: Es wird Euch, wie die Heilige Schrift sagt, schwer werden, gegen den Stachel zu lecken, und ich sehe es kommen, daß der Herrgott Euch ein Fakt entgegenschleudern wird, an welchem Ihr zerschellen müßt wie ein dünnes Kanoe am Felsenrand, wenn Ihr nicht zu der einzigen Rettung greift, die im Gebet liegt. Möge der, an den Ihr niemals glaubtet und zu dem ihr niemals betetet, Euch dann gnädig und barmherzig sein!“
    Ich erschrak jetzt fast selbst über den Ton, in welchem meine Worte weit hinaus in die Wüste klangen. Es konnte hier in dieser weiten Ebene kein Echo geben; dennoch war es mir, als ob sie schmetternd zu uns zurückgeworfen würden, wohl eine Folge meiner Erregung. Er aber ließ ein kurzes Lachen hören und antwortete:
    „Ihr habt eine wunderbare Begabung zum Hirten, der seine Schäflein weidet, Sir, doch bitte ich Euch, mich nicht als Schaf zu betrachten! Old Wabble wird niemals ein frommes Lämmlein sein; th'is clear!“
    Wie oft hatte mir dieses th'is clear heimlich Spaß gemacht; jetzt widerte und ekelte es mich an, und ich fühlte, daß auch er selbst sich um meine ganze Zuneigung gebracht hatte. Ich antwortete kalt:
    „Lämmlein oder nicht; aber ich will nicht wünschen, daß einmal ein Augenblick kommt, an welchem Ihr Euch so rettungslos verloren seht, daß Ihr mich kniend bittet, Euer Hirt zu sein!“
    „Würdet Ihr dann mein kniefälliges Flehen erhören und mich auf grüne Weide führen, mein frommer Sir?“
    „Ja, das würde ich, und wenn ich mein Leben daransetzen müßte. Jetzt aber kommt weiter! Wir sind fertig!“
    Old Surehand und infolgedessen die Apachen waren nämlich auch haltengeblieben. Wir trieben unsre Pferde wieder an. Old Wabble blieb hinter mir zurück, während Old Surehand sich an seiner Stelle an meiner Seite hielt, zunächst ohne ein Wort zu mir zu reden.
    Ich war tief, tief – – – was denn? Verstimmt? Nein, das war das richtige Wort nicht. Ich war traurig, traurig wie noch selten; ich fühlte ein unendliches, heiliges Mitleid mit dem Alten, trotz des Hohns, den ich von ihm geerntet hatte. Keinen Vater, keine Mutter, keinen Bruder, keine Schwester! Keinen Unterricht, niemals, aber auch nicht ein einziges, allereinziges Mal gebetet! Das

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