07 - Old Surehand I
den diese Frage gerichtet war, antwortete:
„Er lag mit dem Bauch im Gras und schlich durch dasselbe wie ein Coyote, der auf Raub ausgeht. Und unsre Pferde wurden unruhig, denn sie rochen das seinige, welches er da draußen jenseits unsrer Posten angepflockt hatte.“
„Hat er sich gewehrt?“
„Pshaw! Er wollte fliehen, und wir jagten ihn wie einen räudigen Hund hin und her; als wir ihn dann ergriffen, wagte er nicht, sich zu verteidigen.“
„Habt ihr noch andre Weiße gesehen?“
„Nein.“
„So geht und sucht nach Spuren von ihnen. Dieses alte Bleichgesicht kann sich nicht ganz allein hier am Rand des Llano estacado befinden.“
Der Krieger ging, um in diesem Sinn nachzuforschen, und der Häuptling setzte sich mit seinen Leuten so ruhig nieder, als ob nicht das geringste vorgekommen wäre. Er sah Old Wabble, der, von zwei Roten gehalten, vor ihm stand, mit drohendem Blick an, zog sein Messer, stieß es vor sich in die Erde und sagte dann zu ihm:
„Hier steckt das Messer des Verhörs. Es kann dich töten, dir aber auch das Leben lassen. Du hast das in deiner Hand. Wenn du die Wahrheit sagst, wirst du dich retten.“
Das Auge des king of the cowboys schweifte herüber in das Gebüsch; es suchte nach uns, aber glücklicherweise nur mit einem kurzen Blick. Hätte er sich in dieser Beziehung nicht beherrscht, so hätte er uns sehr leicht verraten können.
„Wo hast du deine Begleiter?“ fragte der Häuptling.
„Ich habe keine“, antwortete der Alte.
„Du bist allein?“
„Ja.“
„Das ist eine Lüge!“
„Es ist die Wahrheit!“
„Wir werden sie suchen und finden.“
„Ihr werdet niemand finden.“
„Wenn es sich herausstellt, daß du lügst, wirst du schuld sein an dem harten Tod, den ihr erleiden werdet.“
„So laß nur suchen; ich habe nichts dagegen!“
„So sage mir, was du hier am Rand des Llano estacado zu schaffen hast! Wirst du etwa die Ausrede machen, daß du hierhergekommen seist, um zu jagen?“
„Nein, so dumm ist Old Wabble nicht. Aber dennoch möchte ich es sagen, denn es ist wirklich wahr.“
„Was könntest du jagen wollen? Es gibt hier kein Wild.“
„Es gibt welches, und zwar viel.“
„Welcher Art?“ lachte Vupa Umugi verächtlich.
„Rotwild.“
„Uff!“
„Ja, Rotwild, nämlich Indianer. Ich kam hierher, um euch zu jagen.“
Er war sehr kühn. Wahrscheinlich verließ er sich auf uns. Er schien überzeugt zu sein, daß wir in der Nähe steckten und ihn hörten. Und sehr wahrscheinlich nahm er es als ganz selbstverständlich an, daß wir ihn nicht in seiner jetzigen unglücklichen Lage steckenlassen würden. Es war aber vorauszusehen, daß er sich in dieser Beziehung täuschte. Hatte er sich, was ganz wörtlich zu nehmen war, ‚hineingeritten‘, so mochte er nun zunächst selbst sehen, wo er blieb; wir mußten vor allen Dingen für uns selbst sorgen und darauf bedacht sein, nicht auch ergriffen zu werden. Wir durften nicht, um ihn zu befreien, unser Leben wagen und dabei das Gelingen unsres ganzen schönen Plans so leichtsinnig, wie er es getan hatte, in die Schanze schlagen.
Die mutige Antwort des Alten hatte den Häuptling frappiert; man sah es ihm an. Er zog die Brauen finster zusammen und sagte in drohendem Ton:
„Old Wabble mag sich ja hüten, meinen Zorn zu erwecken!“
„Wozu diese Drohung? Du hast ja gesagt, daß ich die Wahrheit sagen soll!“
„Ja; aber du sprichst sie nicht!“
„Beweise das!“
„Hund, wie kannst du, der du unser Gefangener bist, Beweise von mir verlangen! Deine eigene Rede ist der Beweis, der dich überführt. Du sagst, du seist gekommen, uns zu jagen. Kann ein einzelner Mann zehnmal fünfzehn rote Krieger jagen?“
„Nein.“
„Und doch behauptest du, allein hier zu sein!“
„Das ist auch wahr; ich bin nur als Kundschafter hier; die andern kommen nach. Und ich warne euch! Wenn ihr mir etwas tut, werden sie mich blutig an euch rächen.“
„Pshaw! Wer sind die Leute, mit denen du es wagst, uns zu drohen?“
„Ich sollte es eigentlich nicht sagen, denn ihr habt keine Ahnung davon, daß sie euch auf den Fersen sind; aber es macht mir Spaß, euch schon jetzt die Augen zu öffnen, was kein Fehler von mir ist, weil es ganz unmöglich ist, daß ihr ihnen entgehen könnt.“
Er zog sein altes, faltenreiches Gesicht in eine triumphierende Miene und fuhr fort:
„Kennst du den Häuptling Nale-Masiuv?“
„Natürlich kenne ich ihn.“
„Er hat es gewagt, weiße Reiter anzugreifen und ist
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