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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entlassen. Diejenigen, welche ihn im Augenblick der Aufregung hatten lynchen wollen, empfingen ihn jubelnd am Tor des Gerichtsgebäudes. Er lebte noch eine Reihe von Jahren, geachtet von allen, die ihn kannten; man sagt, er habe nie wieder lachen oder auch nur lächeln können; es war ihm unmöglich, die Tat, zu der er sich gezwungen gesehen hatte, zu verwinden, aber es hat keinen einzigen Menschen gegeben, dem es in den Sinn gekommen wäre, sie ihm vorzuwerfen. Was sagt Ihr nun, Sir?“
    „Daß es ganz richtig gewesen ist, ihn freizusprechen“, antwortete Jos. „Aber was hat mein damaliger Unglücksschuß mit diesem Dachdecker zu tun?“
    „Das merkt Ihr nicht?“
    „Nein.“
    „Und doch liegt es so nahe. Dieser Mann hat seinen Sohn, wie Ihr selbst vorhin sagtet, mit Bedacht getötet, während Ihr den Apachen aus Versehen erschossen habt. Der Dachdecker wurde freigesprochen; wie würde eine Jury wohl über Euern Fall urteilen?“
    Er blickte nachdenklich zu Boden. Es war, als ob ein heller, froher Zug über sein melancholisches Gesicht gleiten wolle; dann reichte er mir die Hand und sagte:
    „Jetzt weiß ich, wie Ihr es meint, Mr. Charley. Es hat mir so lange, lange Zeit auf der Seele gelegen, daß es nicht so schnell, wie Ihr wohl denkt, abzuwerfen ist; aber ich danke Euch! Werde über Eure Erzählung nachdenken; vielleicht tut sie das, was Ihr beabsichtigt habt. Von hier aber treibt es mich dennoch fort, ich mag den Ort nicht länger sehen. Wollen machen, daß wir aus dem Unglückscañon kommen!“
    Ja, ich hatte es gut mit ihm gemeint und sollte später erfahren, welchen Nutzen sie ihm und infolgedessen auch – mir brachte. Ich hatte einen dankbaren Freund gewonnen.
    Wir stiegen zu Pferde und ritten weiter. Der Cañon war so lang, daß wir erst nach einer Stunde den Ausgang erreichten. Dort standen wieder mehrere Exemplare des säulenartigen Riesenkaktus, welche Früchte trugen. Als Sam Parker dies sah, hielt er sein Pferd an und sagte den andern, indem er auf mich deutete:
    „Ihr werdet zugeben, Mesch'schurs, daß es immer gut ist zu wissen, wie weit man auf einen Mann, mit dem man reitet, rechnen kann. Dieser Mr. Charley hat sich zu uns gesellt und wird uns wahrscheinlich nicht so bald verlassen. Wir können in jedem Augenblick eine Begegnung mit den Comanchen haben und gezwungen sein, nach unsern Gewehren zu greifen. Meint Ihr nicht, daß es da richtig ist, von ihm einige Probeschüsse zu verlangen?“
    „Ja, ja, er mag schießen; er mag zeigen, was er kann!“ wurde ihm beigestimmt. Nur Jos Hawley schwieg.
    „Ihr habt es gehört, Sir“, fuhr Parker fort, sich nun zu mir wendend. „Hoffentlich weigert Ihr Euch nicht, uns eine Probe von Eurer Kunstfertigkeit zu geben?“
    „Nein“, antwortete ich. „Doch setze ich voraus, daß ich nicht allein es bin, der sein Examen abzulegen hat.“
    „Wer denn noch?.“
    „Natürlich Ihr.“
    „Ich – – –?“ fragte er gedehnt.
    „Ihr und die andern Gentlemen auch, wie sich doch ganz von selbst versteht.“
    „Von selbst versteht? Ich wüßte nicht, warum dies so selbstverständlich sein könnte. Wahrscheinlich könnt Ihr nicht besser schießen als ich damals, als ich zu Old Wabble kam. Ich hätte schon gestern im Lager gern einige Probeschüsse von Euch gesehen, wollte Euch aber nicht vor den Truppen blamieren. Jetzt sind wir allein und haben keine Zeugen, die gern lachen.“
    „Well! Nach welchem Ziel soll geschossen werden?“
    „Dort stehen Kaktuspflanzen, vielleicht hundertfünfzig Schritte weit. Sie tragen Früchte. Möchte doch wissen, ob Ihr von hier aus einen solchen Kaktusapfel treffen könnt.“
    „Könnt Ihr das denn, Mr. Parker?“
    „Wetter! Welch eine Frage! Zweifelt Ihr etwa daran?“
    „Ob ich zweifle oder nicht, das ist sehr gleichgültig.“
    „Oho! Ihr seid kein Westmann, sonst müßtet Ihr wissen, daß ein solcher Zweifel eine Beleidigung ist.“
    Die Sache machte mir natürlich Spaß. Old Shatterhand sollte zeigen, daß er schießen könne. Ich antwortete lächelnd und in ruhigem Ton:
    „So scheint Ihr also auch kein Westmann zu sein.“
    „Ich? Kein Westmann? All devils! Sam Parker soll kein Westmann sein! Wie kommt Ihr auf diese so ganz außerordentliche Idee?“
    „Weil Ihr auch nicht zu wissen scheint, daß ein solcher Zweifel beleidigend ist. Würdet Ihr sonst eine Probe von mir fordern?“
    „Pshaw. Das ist etwas ganz andres. Ihr reitet hier auf Euerm Kutschpferd herum, um nach Altertümern zu suchen; wir

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