07 - Old Surehand I
aber sind Westmänner.“
„Ob Ihr das wirklich seid, weiß ich noch nicht. Ihr verlangt eine Schießprobe von mir, weil Ihr mich nicht kennt; ich kenne Euch ebenso wenig wie Ihr mich und habe also genau dasselbe Recht zu erfahren, wie Ihr mit Euern Gewehren umzugehen versteht. Ich werde schießen, ja, aber nur dann, wenn auch Ihr mir zeigt, was Ihr gelernt habt.“
Er sah mir eine Weile ganz erstaunt in das Gesicht, brach dann in ein Gelächter aus, in welches die andern sehr laut einstimmten, und rief dann aus:
„Was wir gelernt haben! Das ist köstlich! Nicht wahr, Mesch'schurs? Sam Parker soll zeigen, was er gelernt hat! Das ist ihm noch nie widerfahren, niemals in meinem ganzen Leben!“
„Oho!“ widersprach ich ihm. „Ihr habt ja gestern erzählt, daß Ihr vor Old Wabble eine Probe ablegen mußtet, damals, als Ihr auf dreißig Schritte wohl einen Kirchturm, aber keinen Geier treffen konntet.“
„Ja, dazumal! Aber jetzt ist es anders. Jetzt hat Sam Parker es nicht nötig, sich wie einen Schulbuben examinieren zu lassen. Doch vielleicht habt Ihr einmal gehört, daß kein Westmann sich die Gelegenheit entgehen läßt, einen guten Probeschuß zu tun, und so wollen wir auf Euer Verlangen eingehen, so sonderbar es immer ist. Seid ihr einverstanden, Mesch'schurs?“
Die andern neun Männer gaben ihre Zustimmung, und so stiegen wir von den Pferden. Ich nahm mir vor, recht schlecht zu schießen und mich tüchtig auslachen zu lassen. Später konnte dann ich über sie lachen. Wenn sie mich infolge meines Vorgebens wirklich für einen sonderbaren Kauz hielten, der nach ‚alten Gräbern‘ suchte, so mußten sie als Westmänner doch Augen dafür haben, daß mein Rapphengst kein ‚Kutschengaul‘ war.
Die Pulververschwendung begann. Parker und Hawley schossen zwar nicht meisterhaft, aber doch gut, die andern leidlich. Meine drei Kugeln gingen fehl; sie trafen so weit vom Ziel auf den Felsen, daß ich allerdings ein überlautes Gelächter erntete und Parker in verweisendem Ton zu mir sagte:
„Habe es mir gedacht! Wer seine Kugeln über zwanzig Schritte zu weit seitwärts fliegen läßt, der sollte nicht ein solches Bigmouth (Großmaul) sein, Sam Parker Probe schießen zu lassen! Nehmt mir dieses Wort nicht übel, Sir, aber blamiert seid Ihr im höchsten Grad! Ihr werdet weder ein Wild noch einen Indianer treffen und könnt froh sein, daß Ihr uns getroffen habt. Ihr gefallt mir trotz alle dem, und wir haben nichts dagegen, daß Ihr bei uns bleibt, bis wir in eine Gegend kommen, wo Ihr Euern Weg ohne Gefahr allein fortsetzen könnt.“
Wir stiegen auf und ritten weiter. Es fiel mir nicht ein, ihm das ‚Bigmouth‘ und die Ermahnung übel zu nehmen; seine Ausdrucksweise war eben keine übermäßig feine, und ich hatte es ja nicht anders gewollt.
Es waren zunächst einige durch Schluchten getrennte Hochplateaus zu durchqueren, und dann ging unser Weg nach dem Gebiet des Rio Pecos hinab, den wir, falls wir die gleiche Schnelligkeit beibehielten, morgen gegen Abend erreichen konnten. Bald gab es hier und da eine grasige Stelle, dann Laubgrün, welches aus Beerenranken und dergleichen bestand, und am Nachmittag trafen wir auf ein Wasser, an welchem erst vereinzelte Büsche und dann dichter stehende Sträucher Nahrung fanden. Grad als die Sonne untergehen wollte, führte dieses Wasser durch ein Tal, welches unsern Pferden fette Weide bot und mehrere zum Nachtlager gut geeignete Stellen zeigte. Es standen sogar Bäume hier.
Parker, der unter stillem Einvernehmen als unser Anführer galt, wählte einen Platz, der fast rundum von Büschen umgeben war und da, wo das Strauchwerk die einzige Öffnung hatte, von dem Bach abgeschlossen wurde. Diese Wahl war gar nicht übel getroffen, besonders da die Größe dieser Lagerstelle auch unsern Pferden Raum bot, die wir also während der ganzen Nacht bei uns haben konnten und nicht besonders zu bewachen brauchten. Als wir abgestiegen waren und wir andern es uns bequem gemacht hatten, ging Parker mit Hawley fort, um zu versuchen, frisches Fleisch zu schießen. Als sie kurz nach Sonnenuntergang zurückkamen, sahen wir, daß sie Glück gehabt und mehrere Hühner geschossen hatten, die nun gebraten wurden. Dürres Gezweig zum Feuer gab es zur Genüge. Ich bekam meinen Anteil und zog mich dann, als ich ihn verzehrt hatte, vom Feuer weg an den Buschrand zurück, wo ich mein Pferd anpflockte und mich in der Nähe desselben niederlegte.
Die andern unterhielten sich in der
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