07 - Old Surehand I
dieser Gelegenheit die Oase hier in Besitz nehmen. Du rittest voran, um Vupa Umugi den Weg hierher zu zeigen. Dann wolltet Ihr die Stangen anders stecken und die Bleichgesichter hinter euch herlocken. Nach ihnen sollte Nale-Masiuv kommen, um sie einzuschließen und ihnen den Rückweg zu verlegen. Ist es so?“
„Mein weißer Bruder hat es erraten.“
„Ja, ich muß es sehr genau wissen, sonst würdest du es nicht in dieser Weise eingestehen. Nun aber weißt du am allerbesten, daß wir dich gefangengenommen haben, noch ehe du damit fertig warst, Vupa Umugi den Weg hierher zu zeigen.“
„Ich weiß es.“
„Du hast auch gesehen, daß Winnetou mit fünfzig Apachen fortgeritten ist, um die Stangen zu entfernen und in falscher Richtung anzubringen?“
„Ich sah es.“
„Well. Wir sind dann von hier fortgeritten, um die Krieger der Comanchen zu beobachten. Als wir bei den ‚Hundert Bäumen‘ ankamen, sahen wir, daß Winnetou seine Sache sehr gut gemacht hatte. Die Stangen steckten in einer Richtung, durch welche Vupa Umugi mit seinen Leuten in die Einöde geführt wird, wo es kein Wasser gibt.“
„Uff!“
„Ja, ich will dir sogar mit noch größerer Aufrichtigkeit sagen, daß wir ihm eine noch weit gefährlichere Falle gestellt haben, als du dir vielleicht denken wirst. Die Stangen werden ihn morgen mittag in ein großes, undurchdringliches Kaktusfeld führen, aus welchem kein Entrinnen ist. Der Weg führt ihn hinein, aber nicht wieder heraus.“
„Uff!“
„Er wird länger als eine Stunde reiten, bis er in die Mitte dieses großen Kaktusfelds kommt. Da ihn die Stangen in diese Falle leiten, wird er denken, du habest sie gesteckt, und ihnen folgen. Er wird annehmen, daß dieser Weg ihn wieder in das Freie bringe; aber dieser Weg hört plötzlich auf, und eure Krieger können weder nach vorn noch nach einer Seite weiter. Es bleibt ihnen nichts übrig als umzudrehen. Aber sobald sie sich wenden, sehen sie uns mit dreihundert Apachen hinter sich. Wir halten den Weg besetzt und lassen sie nicht wieder heraus.“
„Uff!“
Er stieß dieses eine Wort nun zum dritten Mal aus. Er war so eingeschüchtert, daß er nichts andres zu sagen wußte.
„Sag mir nun, was eure Krieger machen werden?“ fuhr ich fort.
„Sie werden sich verteidigen.“
„Wie wollen sie das anfangen?“
„Sie werden auf euch schießen.“
„Glaubst du?“
„Ja. Sie sind tapfere Krieger, denen es nicht einfallen wird, sich ohne Widerstand zu ergeben.“
„Das sagst du, weil du dich hier in diesem Haus befindest und nicht in der betreffenden Falle steckst. Der Weg, welcher in den Kaktus führt, ist sehr schmal; es finden nur wenige Reiter nebeneinander Platz. Wenn sich eure Krieger umgedreht haben und auf uns schießen wollen, können sie nicht Front gegen uns machen, sondern werden in einer langen, schmalen Linie hintereinander halten, so daß nur die Vordersten auf uns schießen könnten. Und wenn sie das dennoch täten, es würde uns keine von ihren Kugeln erreichen.“
„Meinst du, daß sie so schlechte Schützen sind?“
„Nein. Aber wir haben, wie du weißt, Gewehre, die viel weiter reichen als die ihrigen. Dadurch können wir sie so fern von uns halten, daß es ihnen unmöglich ist, uns zu treffen.“
„Uff!“
„Sie werden also mitten im Kaktus stecken, ohne uns den geringsten Schaden tun zu können.“
„Und ihr? Was werdet ihr tun?“
„Wir werden einfach warten, bis sie sich ergeben. Wir haben Wasser; sie aber haben keins.“
„Und wenn sie sich nicht ergeben?“
„So müssen sie verschmachten.“
Da ging ein leises Lächeln über sein Gesicht, und er sagte:
„Old Shatterhand ist ein kluger Mann, aber an alles kann er doch nicht denken!“
„Meinst du? Kennst du für die Comanchen einen Weg, uns zu entkommen?“
„Ja.“
„Einen Weg, den ich nicht kenne?“
„Wenn du an ihn gedacht hättest, würdest du ganz anders sprechen. Howgh!“
Seine Züge hatten den Ausdruck der Zuversichtlichkeit angenommen. Es war kein Zweifel, er hatte einen Einfall, auf welche Weise die Comanchen uns entgehen könnten. Und diesen Einfall hielt er für vortrefflich, wie das Wort ‚Howgh‘ bezeugte, welches hier einen Ausruf der Versicherung bedeutete.
„Howgh?“ fragte ich. „Bist du deiner Sache so gewiß?“
„Ja.“
„Welchen Weg meinst du denn?“
„Hält Old Shatterhand mich für so unklug, es ihm zu sagen?“
„Nein. Du brauchst es mir nicht zu sagen, denn ich weiß es bereits. Wenn du
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