07 - Old Surehand I
glaubst, Old Shatterhand habe nicht an alles gedacht, so irrst du dich. Ich dachte, du müßtest mich da kennen.“
„So sage doch, was ich meine!“
„Warte noch! Selbst wenn du einen Rettungsweg für eure Krieger wüßtest, an den ich nicht denke, müßtest du dich doch fragen, ob sie auch auf den Gedanken kommen werden, den du für so vortrefflich hältst.“
„Sie kommen sicher darauf!“
„Schön! Da nehmen wir sie natürlich nicht bloß von vorn, sondern auch von hinten.“
„Uff!“
Dieser Ausruf klang wie Schreck.
„Nun?“ fragte ich lächelnd. „Hat Old Shatterhand wirklich nicht an alles gedacht?“
„Ich – weiß – es nicht“, antwortete er zögernd.
„Aber ich weiß es; ich kenne den Rettungsweg, der leider nur in deiner Einbildung lebt. Du hast dir im stillen gesagt: ‚Wenn die Comanchen mitten im Kaktus stecken, so brauchen sie doch nicht die Hoffnung zu verlieren; sie haben ja ihre Messer mit, mit deren Hilfe sie sich einen Weg aus der Falle bahnen können.‘ Habe ich recht oder nicht?“
„Uff, uff!“ antwortete er niedergeschlagen.
„Ja, du hast dich jetzt für sehr klug gehalten. Aber bedenke, wie lange es dauern würde, ehe ein solcher Weg fertig würde! Er würde schmal sein, und es könnten also nur wenige daran arbeiten. Es vergingen Tage darüber! Und denkst du, daß wir dabei ruhig zusehen würden?“
Er schwieg.
„Ich würde unsre Leute teilen und die Hälfte nach der andern Seite des Kaktus schicken, um auf diese Weise eure Krieger zwischen uns zu bekommen. Wir könnten auch noch viel kürzeren Prozeß machen und alle Comanchen in wenigen Minuten vernichten, ohne daß es uns einen Schuß kostet.“
„Wie?“
„Wir brennen den Kaktus an.“
„Uff! Da müßten doch alle unsre Krieger verbrennen!“
„Allerdings!“
„So etwas tut Old Shatterhand nicht!“
„Poche nicht so sicher auf meine Güte!“
„Nein, nein, das tut er nicht!“
„Mag sein! Ich wollte dir damit nur sagen, daß es keine Rettung für eure Krieger gibt; sie können uns nicht entgehen.“
„Ja, wenn ihr sie in dieser Weise einschließt, so müssen sie sich ergeben; aber ihr werdet sie nicht so umzingelt halten können.“
„Wirklich?“
„Ihr werdet von der Falle fort müssen.“
„Warum?“
„Hast du denn ganz vergessen, daß Nale-Masiuv kommen wird? Denkst du denn nicht an ihn?“
„Oh, ich habe ihn nicht vergessen.“
„So weißt du, daß er euch nachfolgt. Er ist dann hinter euch, und vor euch habt ihr Vupa Umugi; ihr steckt zwischen ihnen und befindet euch dann in einer ebenso schlimmen Falle, wie diejenige ist, in welche ihr Vupa Umugi locken wollt. Old Shatterhand wird mir recht geben.“
Sein Gesicht hatte wieder einen zuversichtlicheren Ausdruck angenommen. Ich antwortete:
„Leider kann ich dir nicht das Vergnügen machen, dir recht zu geben. Es ist inzwischen etwas geschehen, was du noch nicht erfahren hast. Und selbst wenn die Lage genau so wäre, wie du sie dir denkst, würdest du dich verrechnet haben, denn Nale-Masiuv würde nicht hinter uns kommen.“
„Doch!“
„Nein. Vor ihm kommen die weißen Kavalleristen; das hast du vergessen.“
„Uff!“ klang es enttäuscht.
„Siehst du ein, daß alle deine Gedanken falsch sind, während Old Shatterhand ganz richtig denkt? Auch wenn heut' gar nichts dazwischen gekommen wäre, könnten wir Vupa Umugi ganz ruhig eingeschlossen halten, ohne uns an Nale-Masiuv zu kehren; diesem wäre es unmöglich, uns zu stören, denn ihn würden die Dragoner auf sich nehmen.“
„Uff, uff!“
„Aber so weit wird es gar nicht kommen. Mein junger Bruder hat mich vorhin unterbrochen, als ich von den ‚Hundert Bäumen‘ sprach. Wir lagerten versteckt in der Nähe derselben und sahen Vupa Umugi kommen. Er hatte keine Ahnung von unsrer Anwesenheit und hielt es also nicht für nötig, Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Darum gelang es mir und Old Surehand, uns in sein Lager zu schleichen und ihn wieder einmal zu belauschen. Als wir genug gehört hatten, entfernten wir uns, ohne entdeckt worden zu sein. Früh zog er mit seinen Comanchen fort, den Stangen nach, die Winnetou für ihn errichtet hatte.“
„Nach welcher Richtung?“
„Mein junger Bruder fragt sehr schlau; Old Shatterhand wird nicht weniger klug sein und ihm nicht antworten.“
„Wenn du es auch sagtest, könnte es uns doch nichts nützen!“
„Oh, doch! Wenn es dir gelänge, heut' noch zu entfliehen, wüßtest du dann, in welcher Gegend du eure
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