07 - Old Surehand I
blutunterlaufenen Hälsen zu entfernen; dann griffen wir beide unter die Jagdhemden, um den Herzschlag zu untersuchen.
„Uff!“ sagte Winnetou. „Apanatschka lebt noch; er ist noch nicht erwürgt.“
„Und auch ich fühle den allerdings ganz leisen Puls“, antwortete ich. „Sie sind bewußtlos. Warten wir, bis sie zu sich kommen!“
Wir befreiten ihre Hände von den Riemen. Da kam Old Wabble zu uns und fragte:
„Sind sie tot, beide tot?“
Wir antworteten nicht.
„Wenn sie etwa nicht tot, sondern nur ohnmächtig sind, so ist der Kampf natürlich nicht zu Ende, sondern muß mit den Messern von neuem begonnen werden; th'is clear!“
Da stand Winnetou auf, streckte den Arm aus und sagte nur das eine Wort:
„Fort!“
In solchen Augenblicken war er ganz Häuptling, ganz der Mann, gegen dessen Willen es keinen Widerspruch gab. Gegen seine Augen, sein Gesicht und seine Haltung war da nicht aufzukommen. So erging es jetzt auch dem alten Cowboy; er wagte kein Wort, drehte sich um und ging brummend von dannen.
Nach einiger Zeit begannen die Bewußtlosen sich zu bewegen, und zwar beide mit den Händen an die Hälse. Old Surehand öffnete zuerst die Augen; er starrte uns wie abwesend an; dann besann er sich und stand taumelnd auf.
„Das – das – das war – – –“ stammelte er.
Ich nahm ihn beim Arm, um ihn zu halten, und sagte:
„Ein schreckliches Würgen! Nicht wahr?“
„Ja – aaa – aaaaa !“ gurgelte er. „Meine Kehle ist – – – noch – – – halb zuuuuuuu !“
„So redet jetzt noch nicht! Könnt Ihr fest stehen?“
Er holte tief, tief Atem, machte eine starke Anstrengung, seine Schwäche zu überwinden und antwortete:
„Ja, ich kann. Wie steht – – – es mit – – – Apanatschka – – –? Lebt – lebt er noch?“
„Ja; er wird gleich zu sich kommen. Seht, da hat er schon die Augen offen!“
Wir mußten dem Comanchen auch aufhelfen; er war genau so schwindlig wie sein weißer Gegner, und es verging eine ziemliche Weile, ehe beide wieder Herren ihrer Sinne und Glieder waren. Als dies der Fall war, fragte mich Apanatschka:
„Wer hat gesiegt?“
„Keiner“, antwortete ich.
„Wer fiel zuerst um?“
„Auch keiner; ihr stürztet zu gleicher Zeit.“
„So müssen wir wieder beginnen. Gebt uns die Messer und bindet uns zusammen!“
Er wollte sich entfernen, um sein Messer da, wo es hingeschleudert worden war, zu holen; ich hielt ihn aber am Arm zurück und erklärte in bestimmtem Ton:
„Halt! Der Kampf ist zu Ende und wird nicht wieder angefangen; ihr seid miteinander fertig.“
„Nein!“
„Ja!“
„Es ist keiner von uns tot!“
„Wurde etwa bestimmt, daß unbedingt einer von euch beiden sterben muß?“
„Nein; aber einer muß doch Sieger sein!“
„Nimm es, wie du willst! Ihr seid entweder beide besiegt oder beide Sieger. Auf alle Fälle aber hast du dein Leben eingesetzt und also bewiesen, daß du dir die Freiheit nicht schenken läßt.“
„Uff! Ist das wirklich deine Ansicht?“
„Ja.“
„Und wie denkt Winnetou?“
„Ganz wie mein Bruder Old Shatterhand“, antwortete der Apache. „Apanatschka, der junge Häuptling der Naiini, ist nicht ohne Kampf in unsre Hände gefallen.“
„Werden das auch alle andern sagen?“
„Wenn Winnetou es sagt, ist's genug. Kein Krieger der Apachen wird eine andre Meinung haben als ich!“
„So will ich mich bescheiden. Ich bin also jetzt euer Gefangener, ohne mir einen Vorwurf machen zu müssen. Hier sind meine Hände; bindet mich so, wie alle Krieger der Comanchen gebunden sind!“
Ich sah Winnetou fragend an. Ein Blick von ihm genügte mir, zu wissen, was er dachte; darum, schob ich die ausgestreckten Hände Apanatschkas zurück und sagte:
„Ich habe dir schon vorhin gesagt, daß wir dich nicht fesseln, sondern dir sogar deine Waffen geben werden, wenn du uns versprichst, nicht zu fliehen. Willst du uns dieses Versprechen geben?“
„Ich gebe es.“
„So hole dein Gewehr und dein Pferd!“
Er stand schon im Begriff, sich umzudrehen und fortzugehen, tat dies aber nicht, sondern sprach:
„Sogar mein Gewehr soll ich haben? Wenn ich euch nun betrüge und mein Wort nicht halte, sondern versuche, unsre Krieger zu befreien?“
„Das tust du nicht. Du bist kein Betrüger.“
„Uff! Old Shatterhand und Winnetou werden sehen, daß Apanatschka das Vertrauen verdient, welches sie ihm schenken.“
„Wir brauchen das gar nicht erst zu erfahren. Unser Vertrauen ist
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