Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nötige, kleine Spielraum blieb. Dann traten wir zurück, um ihnen für ihre Bewunderungen Platz zu machen. Es waren neunhundert Augen in größter Spannung auf sie gerichtet, beide aber sahen mich an, der ich das Zeichen geben sollte.
    „Jetzt – go on!“ sagte ich.
    Sofort verließen mich ihre Blicke und richteten sich aufeinander. Hätte ich Apanatschka gegenüber gestanden, so wäre ich gewiß ganz ruhig und kaltblütig gewesen; so aber schlug mir das Herz so schnell, daß ich glaubte, seine Schläge hören zu können. Ich hatte Old Surehand sehr lieb gewonnen, und das Schicksal des Comanchen war mir auch nichts weniger als gleichgültig. Wer von beiden würde Sieger sein und wer unterliegen?
    Sie standen einige Minuten still und bewegungslos, die rechten Hände mit den Messern herabgesenkt. Welcher wird den Arm zum ersten, blitzschnellen Stich erheben? Diese kurze Zeit kam mir wie eine Stunde und noch länger vor. Da – – – Old Surehand hob den Arm und im nächsten Moment bewegte sich derjenige des Comanchen mit einer solchen Schnelligkeit, daß wir mit den Augen nicht zu folgen vermochten – ein metallisches Knirschen der beiden Klingen, ein dumpfer Schlag der beiden Fäuste, welche zusammenstießen; beide Messer flogen durch die Luft, und beide Arme senkten sich wieder. Keiner war verletzt.
    Das war ein Meisterstück von Old Surehand. Er wollte Apanatschka schonen, ihn nicht töten; das Erheben seines Arms war eine Finte gewesen, durch die er den Gegner zum Stoß verleitet hatte.
    „Uff, uff, uff, uff!“ rief es im Kreis der Apachen und Comanchen.
    „Das ist nichts. Gebt ihnen die Messer wieder!“ schrie Old Wabble. „Blut muß man sehen, Blut!“
    Die beiden Kämpfenden ließen die Augen nicht einen Moment voneinander; dabei sagte Apanatschka:
    „Wünscht Old Surehand, daß wir die Messer wiederbekommen?“
    „Nein“, antwortete dieser. „Das würde gegen die Verabredung sein.“
    „Ich sprach davon, daß einem von uns das Messer entfällt; wir haben sie aber beide verloren!“
    „Das ist ganz dasselbe. Weiter mit den Fäusten!“
    „Ja, weiter!“
    Wieder standen sie eine Weile still; dann versetzte der Comanche seinem Gegner einen Hieb auf den Kopf, daß es zu krachen schien, und erhielt fast in demselben Augenblick einen ebensolchen Schlag; keiner von beiden wankte.
    „Uff!“ sagte Winnetou mit gedämpfter Stimme. „Keiner von ihnen ist Old Shatterhand!“
    Beide sahen ein, daß mit solchen Faustschlägen nichts zu erreichen war, und hatten sich schnell bei den Kehlen. Ich war Zeuge eines Zweikampfs gewesen; aber einem Ringen, wie es nun erfolgte, hatte ich noch nicht zugesehen. Sie hatten sich von dem Platz, auf welchem sie standen, nicht um einen Zoll entfernt, ihre kräftigen, muskulösen Gestalten ragten wie Säulen, wie eherne Statuen aus dem Boden auf; die mächtigen Schenkel schienen in der Erde festgewachsen zu sein; die gefesselten Hände gesenkt, hatten sie die rechten Arme erhoben und die Kehlen einander mit den Händen wie mit Schrauben umklammert. So standen sie unbeweglich. Hätte ein Fotograf seinen Apparat auf sie gerichtet, das Bild hätte sicher nicht die allergeringste Schwankung gezeigt.
    Jeder hatte die Absicht, dem andern den Atem zu rauben; es war ein schreckliches, weil starres und vollständig bewegungsloses Würgen, bei dem es darauf ankam, welcher Hals, welche Gurgel am kräftigsten entwickelt war. Das Gesicht Old Surehands wurde röter und röter; es begann, blau anzulaufen. Dasjenige des Comanchen war dunkler gefärbt, dennoch sah man deutlich, daß es auch immer tiefere Töne annahm. Dann hörten wir ein Ächzen, ohne aber zu wissen, von wem es kam – ein Stöhnen, ein doppeltes Röcheln; dann begannen sie zu wanken, beide zugleich; ihre Füße erhoben sich und stampften im Sand; die Beine spreizten sich aus, um festen Halt zu gewinnen, die steifen Körper neigten sich herüber und hinüber, vorwärts und rückwärts; es folgte ein erstickendes Gurgeln, und dann war es aus; sie stürzten um und fielen beide wie leblose Figuren steif und starr in den Sand. Da blieben sie liegen, ohne die Hände voneinander zu lassen.
    Die vielen Zuschauer waren still; keiner von ihnen ließ ein Wort, einen Ruf hören; so wirkte dieser lautlose Würgkampf sogar auf diese wilden Menschen. Ich kniete mit Winnetou bei den Zweikämpfern nieder, um zu erfahren, wie es mit ihnen stand. Wir mußten alle Kraft anwenden, um die zwei zusammengekrallten Hände von den

Weitere Kostenlose Bücher